Die Engel

Kapitel 7

Engel im Zeitalter der Patriarchen

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Abraham

Gott zeichnete Abraham aus, denn seine Engel wandelten und redeten mit ihm wie mit einem Freund. Patriarchen und Propheten 116.

Der Herr teilte Abraham seinen Willen durch Engel mit. Auch Christus erschien ihm und vermittelte ihm eine klare Vorstellung vom Sittengesetz Gottes und von der wunderbaren Erlösung, die durch ihn bewirkt werden würde. The Review and Herald, 29. April 1875.

Nach der Geburt Ismaels kam Gott noch einmal zu Abraham und sprach zu ihm: "Ich will einen Bund aufrichten zwischen dir und deinen Nachkommen aller Generationen, und es wird ein ewiger Bund sein."

Und noch einmal wiederholte der Herr durch einen Engel sein Versprechen, daß er Sara einen Sohn schenken werde, und daß sie die Mutter vieler Nationen werden sollte. The Spirit of Prophecy I, 96.

Als Gott Sodom mit einem Strafgericht bedrohte, verbarg er es nicht vor Abraham, und dieser wurde zum Fürsprecher der Sünder bei Gott. Seine Begegnung mit den Engeln ist auch ein schönes Beispiel für Gastfreundschaft.

Zur Mittagszeit eines heißen Sommertages saß der Erzvater im Eingang seines Zeltes und schaute über die friedliche Landschaft, als er in der Ferne drei Wanderer näherkommen sah. Ehe sie sein Zelt erreichten, machten sie halt, als ob sie miteinander berieten. Ohne darauf zu warten, daß sie ihn um seine Hilfe baten, stand Abraham schnell auf; und da sie sich scheinbar in eine andere Richtung wandten, eile er ihnen nach und nötigte sie mit größter Höflichkeit, ihm die Ehre zu erweisen und zur Erfrischung bei ihm zu verweilen.

Er selber brachte ihnen Wasser, um ihnen die Füße vom Staub der Reise zu reinigen. Er wählte persönlich die Speisen für sie aus. Während sie sich im kühlen Schatten ausruhten, ließ er ein Mahl bereiten und stand ehrerbietig daneben, während sie seine Gastfreundschaft genossen ...

Abraham hatte in seinen Gästen nur drei müde Wanderer gesehen und dachte nicht daran, daß er einen von ihnen hätte anbeten dürfen, ohne sich zu versündigen. Bald aber wurde das wahre Wesen der Himmelsboten offenbar. Sie waren zwar als Verkünder des Zorns unterwegs, sprachen aber zu dem Glaubensmann Abraham zuerst von Segnungen ...

Abraham hatte Gott die Ehre gegeben, und nun würdigte der Herr ihn, in seine Pläne eingeweiht zu werden und seine Absichten zu erfahren ... Gott kannte das Maß der Sünden Sodoms sehr wohl. Aber er bediente sich menschlicher Ausdrucksweise, damit man die Gerechtigkeit seiner Handlungsweise verstünde. Ehe er die Übertreter richtete, wollte er ihren Wandel prüfen. Wenn sie die Grenzen der göttlichen Gnade nicht überschritten hatten, würde er ihnen noch Raum zur Buße zubilligen. Patriarchen und Propheten 116-118.

Die Zerstörung von Sodom und Gomorra

Zwei der himmlischen Boten brachen auf und ließen Abraham mit dem allein, von dem er nun wußte, daß er Gottes Sohn war ... Mit tiefer Ehrfurcht und Demut brachte er seine dringende Bitte vor: "Ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin." 1.Mose 18,27 ... Er trat vor den himmlischen Boten und trug seine Bitte eindringlich vor.

Obwohl Lot ein Einwohner Sodoms geworden war, beteiligte er sich doch nicht an ihren Freveltaten. Deshalb war Abraham der festen Überzeugung, daß es in jener volkreichen Stadt auch noch andere Anbeter des wahren Gottes geben müsse. Im Hinblick darauf bat er: "Das sei ferne von dir, daß du das tust und tötest diesen Gerechten mit dem Gottlosen ... Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?" 1.Mose 18,25. Und Abraham bat nicht nur einmal. Als seine Bitten gewährt wurden, wagte er zunehmend mehr, bis er das Versprechen erhielt, daß die Stadt verschont würde, selbst, wenn nur zehn Gerechte in ihr gefunden würden. Patriarchen und Propheten 118.

Zwei Engel besuchen Lot

In der Abenddämmerung nahten sich dem Stadttor zwei Fremde. Es waren offensichtlich Reisende, die über Nacht bleiben wollten. Niemand hätte hinter diesen unauffälligen Wanderern Boten des Gerichts vermutet. Die heitere sorglose Volksmenge ließ sich nicht träumen, daß sie mit ihrer Behandlung der göttlichen Sendboten in dieser Nacht den Gipfel der Schuld erreichten und damit das Schicksal ihrer stolzen Stadt besiegelten. Ein einziger Mann erwies den Fremden freundliche Aufmerksamkeit und lud sie in sein Heim. Lot erkannte ihr wahres Wesen nicht, aber er war es gewöhnt, höflich und gastfrei zu sein. Patriarchen und Propheten 136.

Die Engel offenbarten Lot deshalb ihren Auftrag: "Wir werden diese Stätte verderben, weil das Geschrei über sie groß ist vor dem Herrn; der hat uns gesandt, sie zu verderben." 1.Mose 19,13. Lot hatte die Fremdlinge schützen wollen. Jetzt versprachen sie, ihn und alle seine Familienangehörigen zu retten, die mit ihm aus der gottlosen Stadt fliehen würden ... So ging Lot hinaus, um seine Kinder zu warnen. Er wiederholte ihnen die Worte des Engels: "Macht euch auf und geht aus diesem Ort, denn der Herr wird diese Stadt verderben." 1.Mose 19,14. Aber sie sahen das Ganze als Scherz an und lachten über seine abergläubische Furcht ...

Bedrückt kehrte Lot nach Hause zurück und berichtete von seinem Mißerfolg. Darauf geboten ihm die Engel, mit seiner Frau und seinen Töchtern, die noch bei ihnen lebten, die Stadt zu verlassen ... Von Kummer betäubt, zögerte er noch immer und konnte sich nicht zum Aufbruch entschließen. Ohne Gottes Engel hätten sie alle in Sodom ihren Untergang gefunden. Darum ergriffen die himmlischen Boten ihn, seine Frau und seine Töchter bei der Hand und führten sie aus der Stadt.

Hier verließen die Engel sie und kehrten nach Sodom zurück, um das Vernichtungswerk auszuführen. Ein anderer -- er, mit dem Abraham verhandelt hatte -- näherte sich nun Lot ...

Obwohl der Fürst des Lebens ihm zur Seite stand, bat Lot für sein Leben, als könne Gott, der ihm bis dahin soviel Fürsorge und Liebe erwiesen hatte, ihn nicht auch weiterhin bewahren. Er hätte sich dem himmlischen Boten vollkommen anvertrauen und sein Leben, ohne Zögern, in die Hände des Herrn legen sollen. Aber wie so viele bemühte auch er sich, eigene Pläne vorzubringen ...

Noch einmal wurde ihm dringend Eile geboten, denn der Feuersturm würde nicht länger auf sich warten lassen. Eine aber wagte den Blick zurück auf die untergehende Stadt und wurde zu einem Mahnmal des göttlichen Gerichts. Patriarchen und Propheten 135-140.

Abraham wird geprüft

Als Abraham nahezu hundert Jahre alt war, wiederholte Gott die Verheißung eines Sohnes mit der Versicherung, daß der künftige Erbe das Kind Saras sein würde ... Isaaks Geburt brachte nach lebenslangem Warten die Erfüllung ihrer sehnlichsten Hoffnungen und erfüllte die Zelte Abrahams und Saras mit Freude ...

Sara sah in Ismaels Aufsässigkeit eine dauernde Quelle der Zwietracht, und so drang sie in Abraham, Hagar und Ismael aus dem Lager zu entfernen. Das brachte den Patriarchen in arge Bedrängnis. Wie konnte er Ismael, den noch immer geliebten Sohn verstoßen? In seiner Not flehte er um göttliche Führung. Da befahl ihm Gott durch einen Engel, Saras Wunsch nachzugeben ... Ihm wurde aber die tröstliche Zusage gegeben, daß Ismael auch fern vom Heim des Vaters nicht von Gott verlassen sein würde. Er sollte am Leben bleiben und der Vater eines großen Volkes werden. Abraham gehorchte den Worten des Engels, aber nicht ohne bitteres Weh. Patriarchen und Propheten 125.126.

Gott hatte Abraham zum Vater der Gläubigen berufen. Sein Leben sollte für spätere Geschlechter beispielgebend sein. Aber noch war sein Glaube unvollkommen ... Damit er die höchste Reife erlange, legte ihm Gott eine Prüfung auf, die härter war, als sie je ein Mensch zu erdulden hatte. In einem Nachtgesicht gab er ihm die Weisung, ins Land Morija zu gehen und dort auf einem Berge, den er ihm zeigen würde, seinen Sohn als Brandopfer darzubringen ...

Der Auftrag mußte das Herz des Vaters mit Seelenqual erfüllen: "Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast ... und opfere ihn zum Brandopfer." 1.Mose 22,2. Isaak war der Sonnenschein des Hauses, der Trost seines Alters und vor allem der Erbe des verheißenen Segens ...

Satan war bereit, ihm einzuflüstern, daß er sich getäuscht haben müsse, denn das Gesetz Gottes lautete: "Du sollst nicht töten." 2.Mose 20,13. Gott könne doch nicht fordern, was er einst verboten hatte. Abraham trat aus seinem Zelt und schaute auf zu der stillen Pracht des wolkenlosen Himmels. Er rief sich die Zusage in die Erinnerung zurück, die er vor beinahe fünfzig Jahren erhalten hatte, daß seine Nachkommen zahllos sein würden wie die Sterne. Wie könnte Isaak getötet werden, wenn diese Verheißung doch durch ihn in Erfüllung gehen sollte? ...

Abraham war versucht zu glauben, daß er einer Täuschung erlegen sei ... Er erinnerte sich der gottgesandten Engel, die ihm Sodoms Zerstörung ankündigten. Sie brachten ihm auch die Verheißung dieses Sohnes Isaak. Es zog ihn dorthin, wo er sie einige Male getroffen hatte, in der Hoffnung, ihnen wieder zu begegnen und andere Weisungen zu erhalten. Aber niemand kam ihm zu Hilfe. Patriarchen und Propheten 126-128.

Den ganzen Tag über hoffte er, einen Engel zu treffen, der ihn segnen und trösten oder vielleicht den Befehl Gottes widerrufen würde, aber kein Botschafter der Barmherzigkeit erschien ... Als der zweite lange Tag zu Ende ging, begann eine weitere lange Nacht, die er in demütigem Gebet verbrachte, und dann begann der dritte Tag. The Signs of the Times, 1. April 1875.

An dem bezeichneten Platz bauten sie den Altar und legten das Holz darauf. Dann eröffnete Abraham seinem Sohn mit zitternder Stimme die göttliche Botschaft. Erschrocken und bestürzt hörte Isaak von seinem Schicksal, aber er leistete keinen Widerstand ... Er teilte Abrahams Glauben und war bereit, Gott sein Leben zum Opfer zu bringen ...

Und nun kam der Abschied, die letzten Worte, die letzten Tränen, die letzte Umarmung. Der Vater hob das Messer, um seinen Sohn zu töten. Da wurde sein Arm plötzlich festgehalten. Ein Engel vom Himmel rief dem Erzvater zu: "Abraham! Abraham!" Schnell antwortete er: "Hier bin ich." Abermals hörte er die Stimme: "Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, daß du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen." 1.Mose 22,11.12 ...

Gott gab seinen Sohn in einen Tod der Schmach und Schande. Die Engel, die Zeugen der Erniedrigung und Seelenangst des Sohnes Gottes wurden, durften nicht eingreifen wie bei Isaak. Keine Stimme durfte rufen: "Es ist genug." Der König der Herrlichkeit gab sein Leben, um die gefallenen Menschen zu retten ...

Die Himmelsbewohner waren Zeugen, als Gott Abrahams Glauben und Isaaks Ergebung prüfte ... Der ganze Himmel schaute mit Staunen und Bewunderung auf Abrahams unwandelbaren Gehorsam und zollte seiner Treue Anerkennung. Satans Anklagen erwiesen sich als falsch ...

Selbst die Engel vermochten das Geheimnis der Erlösung nur schwer zu erfassen. Sie konnten kaum verstehen, daß der Herr des Himmels, der Sohn Gottes, für schuldige Menschen sterben müsse. Als Gott Abraham die Opferung seines Sohnes befahl, erregte dies die Anteilnahme aller himmlischen Wesen. Mit tiefem Ernst beobachteten sie jeden Schritt hin zur Erfüllung jener Forderung. Abraham antwortete auf Isaaks Frage: "Wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?" "Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer." 1.Mose 22,7.8.

Als Gott in dem Augenblick des Vaters Hand festhielt, als er seinen Sohn schlachten wollte und danach der Widder an Isaaks Stelle geopfert wurde, da lüftete sich das Geheimnis der Erlösung. Nun verstanden die Engel Gottes wunderbare Vorsorge für die Menschen besser als früher. Patriarchen und Propheten 130.132.133.

Isaaks Hochzeit

Für Abraham war die Wahl einer Lebensgefährtin für seinen Sohn von schwerwiegender Bedeutung. Darum war er darauf bedacht, daß Isaak eine Frau nahm, die ihn Gott nicht entfremdete ...

Isaak vertraute ganz und gar der Weisheit und Liebe seines Vaters und war es zufrieden, ihm die Angelegenheit überlassen zu können. Er glaubte auch, daß Gott selbst ihn in der Wahl leiten würde. Die Überlegungen Abrahams richteten sich auf die Verwandtschaft seines Vaters in Mesopotamien ...

Mit dieser wichtigen Angelegenheit betraute Abraham Elieser, "seinen ältesten Knecht" (1.Mose 24,2), einen frommen, erfahrenen und urteilsfähigen Mann, der ihm lange treu gedient hatte ... "Der Herr, der Gott des Himmels, der mich von meines Vaters Hause genommen hat und von meiner Heimat, ... der wird seinen Engel vor dir her senden." 1.Mose 24,7 ...

Unverzüglich machte sich der Bote auf den Weg ... Bei der Ankunft in Haran, "der Stadt Nahors" (1.Mose 24,10), machte er außerhalb der Stadtmauer am Brunnen halt, zu dem die Frauen des Ortes am Abend kamen, um Wasser zu holen ... Er erinnerte sich aber der Worte Abrahams, daß Gott seinen Engel mit ihm senden würde, und betete ernstlich um sichere Führung. Weil er in der Familie seines Herrn an selbstverständliche Freundlichkeit und Gastfreiheit gewöhnt war, betete er jetzt darum, eine Gefälligkeit möge ihm das von Gott erwählte Mädchen zeigen.

Kaum hatte er sein Gebet beendet, erhielt er schon die Antwort. Unter all den Frauen, die sich am Brunnen versammelt hatten, zog eine durch ihr höfliches Verhalten seine Aufmerksamkeit auf sich. Als sie vom Brunnen kam, trat der Fremde auf sie zu und bat um etwas Wasser aus dem Krug auf ihrer Schulter. Freundlich willigte sie ein und erbot sich, auch für die Kamele Wasser zu schöpfen. Diesen Dienst erfüllten üblicherweise sogar Fürstentöchter für die Herden ihrer Väter. Auf diese Weise erhielt Elieser das gewünschte Zeichen ...

Abraham wohnte bei Beerseba, und Isaak, der sich im Nachbarland um die Herden gekümmert hatte, war zu seinem Vater zurückgekehrt, um die Ankunft des Boten aus Haran abzuwarten ... Und Isaak "war ausgegangen, um zu beten auf dem Felde gegen Abend, und hob seine Augen auf und sah, daß Kamele daherkamen ... Da führte sie Isaak in das Zelt seiner Mutter Sara und nahm die Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er gewann sie lieb. Also wurde Isaak getröstet über seine Mutter." 1.Mose 24,63-67. Patriarchen und Propheten 148-151.

Jakob und Esau

Jakob und Esau, Isaaks Zwillingssöhne, waren in Charakter und Lebensart auffallend gegensätzlich. Diese Unähnlichkeit hatte der Engel Gottes bereits vor ihrer Geburt vorausgesagt. Als Antwort auf Rebekkas beunruhigtes Gebet tat er ihr kund, daß sie zwei Söhne bekommen würde. Zugleich eröffnete er deren künftiges Geschick: Jeder sollte das Haupt eines mächtigen Volkes werden, aber einer würde größer sein als der andere und der Jüngere den Vorrang haben ...

Isaak machte seine Söhne mit diesen Rechten und Bedingungen vertraut und erklärte ihnen ganz deutlich, daß Esau als der Ältere Anspruch auf das Erstgeburtsrecht habe. Aber Esau hatte weder Neigung zur Frömmigkeit noch zum geistlichen Leben ...

Rebekka erinnerte sich jetzt der Worte des Engels, und sie deutete mit größerem Scharfblick als ihr Mann die Charakterzüge ihrer Söhne. Sie kam zu der Überzeugung, daß das Erbe der göttlichen Verheißung Jakob bestimmt war. Deshalb wiederholte sie Isaak die Worte des Engels, aber die Zuneigung des Vaters gehörte nun einmal dem älterem Sohn, und er blieb beharrlich bei seiner Absicht. Patriarchen und Propheten 154.155.

Jakob wußte durch die Mutter von der göttlichen Ankündigung, daß ihm das Erstgeburtsrecht zufallen sollte. Und er war von unsagbarem Verlangen nach den Vorrechten erfüllt, die ihm damit übertragen würden. Nicht, daß er nach dem Reichtum des Vaters strebte; das Ziel seiner Sehnsucht galt vielmehr dem geistlichen Erstgeburtsrecht ...

Als Esau eines Tages ermattet und müde von der Jagd nach Hause kam, bat er um die Speise, die Jakob eben zubereitete. Dieser ergriff die Gelegenheit und erbot sich, den Hunger seines Bruders um den Preis des Erstgeburtsrechts zu stillen ... "Siehe, ich muß doch sterben", rief der leichtsinnige, unbeherrschte Jäger, "was soll mir da die Erstgeburt?" 1.Mose 25,32. Und für eine Schüssel Linsengericht gab er sein Erstgeburtsrecht auf und bekräftigte diesen Handel mit einem Eid ...

Jakob und Rebekka hatten Erfolg mit ihrem Plan, aber sie ernteten nur Kummer und Sorge. Gott hatte gesagt, Jakob solle das Erstgeburtsrecht erhalten. Wenn sie im Vertrauen darauf gewartet hätten, würde sich auch Gottes Wort zu seiner Zeit erfüllt haben ...

Durch Esaus Zorn mit dem Tode bedroht, verließ Jakob seines Vaters Heim als Flüchtling ... Am Abend des zweiten Tages war er schon ziemlich weit von den Zelten seines Vaters entfernt. Er fühlte sich als Ausgestoßener und wußte doch zugleich, daß diese ganze Not durch eigenes falsches Verhalten über ihn hereingebrochen war.

Dunkle Verzweiflung lastete auf ihm, und er wagte kaum zu beten. Aber er war dermaßen einsam, daß er die Notwendigkeit des göttlichen Schutzes wie nie zuvor empfand. Unter Tränen und in tiefer Demut bekannte er seine Sünde und flehte um ein Zeichen, daß er nicht gänzlich verlassen sei ...

Aber Gott verließ Jakob nicht ... Der Herr offenbarte sich ihm voll Mitleid gerade als das, was Jakob brauchte, nämlich als Erlöser ...

Ermüdet von seiner Reise, streckte sich der Wanderer auf dem Erdboden aus mit einem Stein als Kissen. Während er schlief, sah er eine helle, strahlende Leiter, deren unteres Ende auf der Erde stand, während die Spitze bis an den Himmel reichte. Auf dieser Leiter stiegen Engel auf und nieder. Obenan aber war der Herr der Herrlichkeit, und vom Himmel hörte man seine Stimme: "Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott." 1.Mose 28,13 ...

In dem Gesicht wurde Jakob der Erlösungsplan gezeigt ... Die Leiter stellte Jesus dar, den ausersehenen Mittler. Wäre nicht durch sein Verdienst die durch die Sünde entstandene Kluft überbrückt worden, hätten die dienenden Engel nicht in Verbindung mit den gefallenen Menschen treten können ...

Mit neu belebtem, festem Glauben an die göttlichen Verheißungen, der Gegenwart und des Schutzes himmlischer Engel gewiß, "machte sich Jakob auf den Weg und ging in das Land, das im Osten liegt". 1.Mose 29,1. Patriarchen und Propheten 155-157.160-163.

Obwohl Jakob Haran auf göttliche Weisung verließ, zog er den Weg, den er vor zwanzig Jahren als Flüchtling gewandert war, nicht ohne Befürchtungen zurück. Seine Sünde, der Betrug am Vater stand ihm immer vor Augen ... Als in der Ferne die heimatlichen Berge auftauchten, war das Herz des Patriarchen tief bewegt. Seine ganze Vergangenheit stieg vor ihm auf. Aber mit der Erinnerung daran kam ihm auch der tröstliche Gedanke an Gottes Gnade und die Verheißung seiner Hilfe und Führung wieder ins Gedächtnis. Patriarchen und Propheten 170.

Als Jakob seinen Weg fortsetzte, begegneten ihm die Engel des Herrn, und als er sie sah, sagte er: "Das ist das Heer Gottes." Er sah im Traum, daß sich die Engel Gottes rings um ihn niederließen. Spiritual Gifts III, 127.

Unmittelbar vor ihnen sah er (Jakob) zwei Kompanien Engelheere, die ihnen den Weg weisen und sie beschützen sollten. Und als er sie sah, lobte er Gott und rief aus: "Das ist das Heer Gottes!" Und er nannte den Ort Mahanaim, was so viel bedeutet wie "zwei Heere" ... The Signs of the Times, 20. November 1879.

Dennoch meinte Jakob, auch selbst etwas zu seiner Sicherheit tun zu müssen. Deshalb sandte er Boten mit einem Versöhnungsgruß an den Bruder ... Aber die Boten kehrten mit der Nachricht zu Jakob zurück, Esau ziehe ihm entgegen mit vierhundert Kriegern. Die freundliche Botschaft blieb also unbeantwortet ... "Da fürchtete sich Jakob sehr, und ihm wurde bange." 1.Mose 32,8 ... Deshalb teilte er sie in zwei Gruppen. Wurde eine angegriffen, konnte vielleicht die andere entkommen ...

Sie hatten den Jabbok erreicht, als die Nacht hereinbrach. Jakob schickte seine Familie durch die Furt des Flusses und blieb als einziger zurück. Er wollte die Nacht im Gebet verbringen und mit Gott allein sein ...

Da legte sich plötzlich eine schwere Hand auf ihn. Er vermutete, ein Feind wolle ihm ans Leben, und versuchte, sich dem Griff des Gegners zu entwinden. In der Dunkelheit rangen beide um die Oberhand. Keiner sprach ein Wort. Jakob setzte seine ganze Kraft ein und ließ in seinen Anstrengungen auch nicht einen Augenblick nach. Während er so um sein Leben kämpfte, lag das Bewußtsein der Schuld schwer auf ihm; er wurde seiner Sünden gewahr, die sich trennend zwischen ihn und Gott stellten. Aber in der höchsten Not erinnerte er sich der Verheißungen Gottes, und von ganzem Herzen flehte er um seine Gnade.

Der Kampf dauerte bis zum Morgengrauen. Dann legte der Fremde seine Hand auf Jakobs Hüfte, und im Augenblick wurde dieser zum Krüppel. Jetzt erkannte der Erzvater das Wesen seines Gegners. Er begriff, daß er mit einem himmlischen Boten gekämpft und deshalb trotz schier übermenschlicher Anstrengung den Sieg nicht hatte erringen können. Patriarchen und Propheten 171.172.

Der, mit dem Jakob rang, wird als "Mann" bezeichnet, aber Hosea nennt ihn einen Engel, während Jakob selbst sagt: "Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen." Man könnte es auch so ausdrücken: Er hatte Anteil an der Macht Gottes. Es war die Majestät des Himmels, der Engel des Bundes, der in Gestalt eines Menschen zu Jakob kam. The Signs of the Times, 20. November 1879.

Es war Christus, der "Engel des Bundes" (Maleachi 3,1), der sich Jakob offenbarte. Der Patriarch war jetzt kampfunfähig und litt heftige Schmerzen, aber er wollte seinen Halt nicht verlieren ... Reuig und gebrochen klammerte er sich an den Engel, "er weinte und bat ihn" (Hosea 12,5) und flehte um seinen Segen ... Der Engel versuchte, sich zu befreien. Er drängte: "Laß mich gehen, denn die Morgenröte bricht an." Aber Jakob antwortete: "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn." 1.Mose 34,27. Hätte daraus vermessenes Selbstvertrauen gesprochen, wäre Jakob auf der Stelle getötet worden. Aber es war die Zuversicht eines Menschen, der sich seiner Unwürdigkeit bewußt ist und sich dennoch zuversichtlich auf die Treue Gottes verläßt, der seinen Bund hält ...

Während Jakob mit dem Engel rang, wurde ein anderer himmlischer Bote zu Esau gesandt. Im Traum sah er den Bruder als einen zwanzig Jahre lang vom Vaterhause Verbannten. Er erlebte seinen Kummer, als Jakob vom Tode der Mutter erfuhr, und sah ihn von himmlischen Heerscharen umgeben. Esau erzählte diesen Traum seinen Kriegern und befahl ihnen, Jakob kein Leid zu tun, da der Gott seines Vaters mit ihm sei ...

Jakobs Erfahrung in jener Nacht des Ringens und der Angst versinnbildlichte die Trübsal, durch die Gottes Volk unmittelbar vor der Wiederkunft Christi gehen muß. Patriarchen und Propheten 172-174.