Aus der Schatzkammer der Zeugnisse -- Band 1

Kapitel 100

Unverletzlichkeit der Gelübde

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Der kurze, aber schreckliche Bericht von Ananias und Saphira ist von dem vom Geist Gottes geleiteten Schreiber zum Nutzen aller aufgezeichnet, die sich Christi Nachfolger nennen. Diese wichtige Lehre hat beim Volk Gottes noch nicht genügend Bedeutung erlangt. Es wird für alle gewinnbringend sein, die Eigenart dieses bösen Ärgernisses, um dessentwillen diese Schuldigen zum abschreckenden Beispiel wurden, sorgfältig zu bedenken. Dieser eine bemerkenswerte Beweis von Gottes vergeltender Gerechtigkeit ist furchtbar und sollte alle Menschen dazu führen, sich vor einer Wiederholung von Sünden, die eine solche Bestrafung mit sich brachten, zu scheuen und zu fürchten. Selbstsucht hieß die große Sünde, welche die charakterliche Entwicklung dieses Paares in eine falsche Richtung drängte.

Ananias und sein Weib Saphira erlebten mit anderen Menschen die Freude, das von den Aposteln verkündigte Evangelium zu hören. Gottes Kraft begleitete das gesprochene Wort, und tiefes Schuldbewußtsein bemächtigte sich aller Anwesenden. Der sanft wirkende Einfluß der Gnade Gottes bewegte ihre Herzen so sehr, daß sie veranlaßt wurden, das selbstische Beharren an ihren irdischen Besitztümern aufzugeben. Während sie sich unter dem unmittelbaren Wirken des Geistes Gottes befanden, verpflichteten sie sich, dem Herrn bestimmte Grundstücke zu geben. Als sie aber nicht mehr unter diesem himmlischen Einfluß standen, war die Wirkung weniger stark. Sie befragten sich selbst darüber und traten von der Erfüllung des gegebenen Versprechens zurück. Sie meinten, übereilt gehandelt zu haben und wollten die Angelegenheit noch einmal überdenken. Auf diese Weise öffnete sich für Satan eine Tür. Er trat sofort ein und bemächtigte sich ihrer Gedanken.

Dieser Fall sollte eine Warnung sein, sich der ersten Annäherung Satans zu erwehren. Zunächst hegten sie Habsucht im Herzen; aus Scham, daß ihre Brüder merken könnten, wie ihre selbstsüchtigen Herzen sich sträubten, Gott das zu geben, was man ihm gewidmet und versprochen hatte, griff man danach zum Betrug. Sie besprachen diese Angelegenheit und entschieden wohlüberlegt, einen Teil des Erlöses zurückzubehalten. Als sie des Betruges überführt waren, wurden sie mit sofortigem Tod bestraft. Sie wußten, daß der Herr, den sie betrogen, ihr Herz ergründet hatte, denn Petrus sprach: "Warum hat der Satan dein Herz erfüllt, daß du dem heiligen Geist lögest und entwendetest etwas vom Gelde des Ackers? Hättest du ihn doch wohl mögen behalten, da du ihn hattest; und da er verkauft war, war es auch in deiner Gewalt. Warum hast du denn solches in deinem Herzen vorgenommen? Du hast nicht Menschen, sondern Gott gelogen."

Um die junge Gemeinde vor Verderbnis zu bewahren, war ein besonderes Beispiel notwendig; denn ihre Gliederzahl wuchs sehr schnell an. So wurde allen, die sich in jener Zeit zu Christus bekannten und allen, die späterhin seinen Namen bekennen sollten, eine Warnung zuteil, daß Gott eine gewissenhafte Erfüllung von Gelübden fordert. Aber trotz dieser Außergewöhnlichen Bestrafung des Betruges und der Lüge sind diese Sünden in der christlichen Kirche oft wiederholt worden, auch in unseren Tagen sind sie weit verbreitet. Im Geist wurde mir gezeigt, daß Gott dieses Beispiel als Warnung für alle gesetzt hat, die versucht werden könnten, in ähnlicher Weise zu handeln. Selbstsucht und Betrug werden tagtäglich in der Gemeinde geübt; Gott wird das vorenthalten, was er beansprucht. Auf diese Weise beraubt man ihn und begibt sich in Widerspruch zu seinen Anordnungen, das Licht und die Erkenntnis der Wahrheit im ganzen Land auszubreiten.

Vom Unterhalt des Werkes Gottes

In seinen vorausschauenden Plänen hat Gott das Wachstum seines Werkes von den persönlichen Bemühungen seines Volkes und von dessen freiwilligen Gaben abhängig gemacht. Gott hat den Menschen eine außerordentliche Ehre zuteil werden lassen, indem er ihnen die Mitwirkung am Erlösungsplan gestattet. Der Prediger kann das Wort Gottes nicht verkündigen, ohne dazu berufen zu sein. Die Aufgabe, Licht zu spenden, ruht nicht allein auf dem Prediger. In dem Augenblick, da der einzelne in die Gemeinde aufgenommen wird, verpflichtet er sich, durch das Ausleben der Wahrheit, die er bekennt, ein Stellvertreter Christi zu sein. Für die Nachfolger Christi gilt es, das Werk fortzuführen, das Christus ihnen bei seiner Himmelfahrt übertragen hat.

Besondere Anstalten, die Gott dazu dienen, sein Werk auf Erden weiterzuführen, müssen unterhalten werden. Es sind Kapellen zu errichten, Schulen zu gründen und die Verlagshäuser mit den Möglichkeiten auszustatten, die ihnen erlauben, die bedeutsame Aufgabe der Veröffentlichung der Wahrheit zu erfüllen, damit die Botschaft Gottes für diese letzte Zeit in alle Teile der Welt geschickt werden kann. Diese Einrichtungen sind von Gott verordnet und sollten durch Zehnten und freiwillige Gaben unterhalten werden. Mit dem Anwachsen des Werkes werden erhebliche Mittel benötigt, um es in allen seinen Zweigen voranzuführen. Wer zur Wahrheit bekehrt worden ist und Gottes Gnade erfahren hat, sollte durch freiwillige Opfer und Gaben Mitarbeiter Christi werden. Sobald die Gemeindeglieder in ihrem Herzen wünschen, daß nicht mehr zum Opfern aufgerufen werden soll, bringen sie dadurch im Grunde genommen ihre Zufriedenheit zum Ausdruck, daß das Werk Gottes nicht zunehmen soll.

Die Erfahrung Jakobs

"Und Jakob tat ein Gelübde und sprach: So Gott wird mit mir sein und mich behüten auf dem Wege, den ich reise, und mir Brot zu essen geben und Kleider anzuziehen und mich mit Frieden wieder heim zu meinem Vater bringen, so soll der Herr mein Gott sein; und dieser Stein, den ich aufgerichtet habe zu einem Mal, soll ein Gotteshaus werden; und von allem, was du mir gibst, will ich dir den Zehnten geben." 1.Mose 28,20-22. Die Umstände, unter denen Jakob dem Herrn ein Gelübde ablegte, ähnelten denen, die in unserer Zeit Männer und Frauen bewegen, dem Herrn etwas zu geloben. Durch eine sündhafte Handlung erlangte er den Segen, obwohl er wußte, daß ihm dieser Segen durch Gottes zuverlässiges Wort verheißen worden war. Diese Tat offenbarte seinen mangelnden Glauben an die Macht Gottes, der seine Absichten ausführt, so entmutigend der augenblickliche Anschein für den einzelnen auch sein mag. Statt die Stellung einzunehmen, die er begehrt hatte, war er gezwungen, vor dem Zorn Esaus zu fliehen, um sein Leben zu retten. Nur mit seinem Stab in der Hand mußte er Hunderte von Kilometern durch ödes Land ziehen. Sein Mut war dahin; Gewissensbisse und Verzagtheit erfüllten ihn. Er vermied es, mit Menschen zusammenzukommen, um nicht von seinem erzürnten Bruder aufgespürt zu werden. Ihm fehlte der Friede Gottes, der ihn hätte trösten können; denn er wurde unablässig von dem Gedanken beunruhigt, den göttlichen Schutz verwirkt zu haben.

Der zweite Tag seiner Reise nähert sich seinem Ende. Er ist müde, hungrig, heimatlos und fühlt sich von Gott verlassen. Er weiß, daß er diese Lage durch sein eigenes falsches Verhalten verschuldet hat. Dunkle Wolken der Verzweiflung umgeben ihn, und er fühlt, daß er ausgestoßen ist. Sein Herz ist von namenlosem Schrecken erfüllt; er wagt kaum zu beten. Jakob ist so völlig einsam, daß er wie nie zuvor göttlichen Schutz ersehnt. Er weint und bekennt Gott seine Sünde. Er erfleht irgendeinen Beweis, daß Gott ihn nicht gänzlich im Stich gelassen habe. Aber sein bedrücktes Herz sieht keine Hilfe. Er hat sein Selbstvertrauen verloren und befürchtet, von dem Gott seiner Väter verworfen zu sein. Doch der Herr, der gnädige Gott, erbarmt sich des einsamen, leidgeprüften Mannes, der sich Steine zu seinem Kissen sammelt und nur das Himmelszelt zur Decke hat.

In einem Gesicht des Nachts sieht er eine geheimnisvolle Leiter, die auf dem Erdboden steht und mit ihrer Spitze über das Sternenheer hinaus die höchsten Himmel berührt. Engelboten steigen diese prächtig leuchtende Leiter auf und nieder und zeigen ihm den Verbindungsweg zwischen Erde und Himmel. Er vernimmt eine Stimme, die die Verheißung von Gnade, Schutz und der künftigen Segnungen wiederholt. Als Jakob aus seinem Traum erwacht, spricht er: "Gewiß ist der Herr an diesem Ort, und ich wußte es nicht." 1.Mose 28,16. Er schaut um sich in der Erwartung, die himmlischen Boten zu sehen. Sein ernster, verwunderter Blick trifft aber nur die matten Umrisse seiner irdischen Umgebung und den im Schmuck des Lichts funkelnden Himmel. Die Leiter und die lichten Boten sind verschwunden. Die herrliche Majestät hoch droben kann er nur in seiner Vorstellung erschauen.

Jakob war von der tiefen Stille der Nacht und dem lebendigen Eindruck, in unmittelbarer Gegenwart Gottes zu sein, überwältigt. Sein Herz war voll Dankbarkeit, daß er nicht vernichtet worden war. In jener Nacht gab es für ihn keinen Schlaf mehr. Tiefe, inbrünstige Dankbarkeit, vermischt mit heiliger Freude, erfüllte seine Seele. "Und Jakob stand des Morgens früh auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Mal und goß Öl obendarauf." 1.Mose 28,18. Hier an dieser Stelle gab er Gott sein feierliches Versprechen.

Das Halten des Gelübdes

Erfrischt vom Tau der Gnade und gestärkt von der Gegenwart und Zusage Gottes, legte Jakob sein Gelübde ab. Nachdem die göttliche Herrlichkeit vorübergegangen war, hatte auch er Versuchungen zu bestehen, genau wie die Menschen in unserer Zeit. Er aber stand treu zu seinem Gelübde und ließ keine Gedanken darüber aufkommen, wie er sich des von ihm abgelegten Versprechens entledigen könne. Er hätte ebenso, wie die Menschen es heute tun, überlegen können, daß diese Offenbarung nur ein Traum war, daß er ungewöhnlich erregt gewesen sei, als er das Gelübde ablegte, und daß er es aus diesem Grunde nicht zu erfüllen brauche. Jakob handelte jedoch nicht in dieser Weise.

Jahre vergingen, ehe Jakob in seine Heimat zurückzukehren wagte. Als es soweit war, beglich er gewissenhaft seine Schuld dem Schöpfer. Er war ein vermögender Mann geworden, und ein großer Teil seiner Güter ging in die Schatzkammer des Herrn über.

Viele Menschen unserer Tage versagen, wo Jakob Erfolg hatte. Denen Gott das meiste gegeben hat, diese neigen am stärksten dazu, ihr Hab und Gut zurückzuhalten, weil sie einen ihrem Besitztum entsprechenden Betrag geben müssen. Jakob gab den Zehnten von allem, was er hatte. Dann berechnete er, wieviel er während seines Aufenthaltes in einem heidnischen Land, wo er sein Gelübde nicht erfüllen konnte, an Zehnten für sich verbraucht hatte. Diese Summe gab er dem Herrn dazu. Es war ein erheblicher Betrag, aber Jakob zögerte nicht. Was er dem Herrn versprochen hatte, betrachtete er nicht als sein, sondern als des Herrn Eigentum.

Gebt entsprechend eurem Einkommen!

Der geforderte Betrag entspricht den verliehenen Mitteln. Je größer das anvertraute Kapital ist, um so wertvoller ist die Gabe, die Gott von uns zurückfordert. Wenn ein Christ fünfzig- oder hunderttausend Mark besitzt, verlangt Gott gebieterisch von ihm, nicht nur seinen Zehnten zu geben, sondern ihm auch seine Sünd- und Dankopfer zu überbringen. Die levitische Ordnung zeichnete sich in bemerkenswerter Weise durch die Heiligung des Besitzes aus.

Wenn wir vom Zehnten als dem Regelfall der jüdischen Beiträge für religiöse Zwecke sprechen, sind wir nicht deutlich genug. Der Herr verlieh seinen Ansprüchen überragende Bedeutung, und in nahezu jedem Fall, wo die Juden etwas empfangen hatten, wurden sie an den Geber erinnert und dadurch aufgefordert, ihm seinen Anteil zurückzuerstatten. Von ihnen wurde für ihren erstgeborenen Sohn, für die Erstlinge ihrer Herden und für die ersten Ernteerträge ein Lösegeld gefordert. Sie sollten die Enden ihrer Erntefelder den Armen überlassen. Was immer bei der Ernte ihren Händen entfiel, war für die Armen bestimmt. Alle sieben Jahre bestellten sie ihre Acker nicht. Was wild wuchs, gehörte den Notleidenden. Dann gab es die Opfergaben, Schuldopfer, Sündopfer und den Erlaß aller Schulden in jedem siebenten Jahr. Zahllos waren ihre Aufwendungen für Gastfreundschaft. Die Armen empfingen Almosen von ihnen; ihr Besitz wurde besteuert.

Zu festgesetzten Zeiten wurde, um die Unversehrtheit des Gesetzes zu bewahren, das Volk befragt, ob es seine Gelübde redlich erfüllt habe oder nicht. Einige wenige Gewissenhafte gaben Gott ungefähr ein Drittel ihrer gesamten Einkünfte für die Armen und zum Nutzen religiöser Belange. Diese Abgaben kamen nicht von einer besonderen Klasse des Volkes, sondern aus allen Schichten die Forderung entsprach der Größe des Besitzes. Neben all diesen regelmäßigen Abgaben gab es besondere Vorhaben, die freiwillige Gaben erforderten, wie beispielsweise die in der Wüste gebaute Stiftshütte und der in Jerusalem errichtete Tempel. Diese Sonderabgaben auferlegte Gott seinen Kindern zu deren eigenem Besten wie auch zur Erhaltung seines Gottesdienstes.

Vernachlässigt nicht eure Verpflichtung!

Auf diesem Gebiet muß unser Volk aufgerüttelt werden. Es gibt nur wenige Menschen, die von Gewissensbissen geplagt werden, sobald sie ihre Plicht vernachlässigen, Gutes zu tun. Nur wenige machen sich ein Gewissen daraus, wenn sie Gott täglich berauben. Zahlt ein Christ seinem Nachbarn absichtlich oder zufällig zu wenig oder weigert er sich, eine zu Recht bestehende Schuld zu begleichen, wird ihn sein Gewissen beunruhigen, sofern es nicht verhärtet ist. Er kann keine Ruhe finden, wenn auch niemand außer ihm davon etwas weiß. Es gibt viele versäumte Versprechen und uneingelöste Gelübde, -- doch wie wenige machen sich darüber Gedanken! Wie wenige empfinden diese Pflichtverletzung als Schuld! Auf diesem Gebiet müssen wir zu einer neuen und tieferen Überzeugung gelangen. Das Gewissen muß aufgerüttelt werden. Diese Angelegenheit ist gespannter Aufmerksamkeit wert, weil wir Gott am Jüngsten Tag Rechenschaft abzulegen haben und bis dahin seine Forderungen erfüllen müssen.

Die Verpflichtungen des christlichen Geschäftsmannes, wie groß oder klein sein Kapital auch sein mag, stehen im genauen Verhältnis zu den von Gott empfangenen Gaben. Das Trügerische des Reichtums hat Tausende und Zehntausende ruiniert. Diese Begüterten vergessen, daß sie Haushalter sind und daß sich der Tag schnell nähert, an dem ihnen gesagt wird: "Tu Rechnung von deinem Haushalten." Lukas 16,2. Im Gleichnis von den anvertrauten Zentnern wird gezeigt, daß jeder Mensch für die vernünftige Verwendung der verliehenen Gaben verantwortlich ist. Der erbärmliche Knecht im Gleichnis fühlte sich am wenigsten verpflichtet und zog keinen Nutzen aus dem ihm anvertrauten Zentner, weil man ihm den geringsten Betrag gegeben hatte. Deshalb wurde er in die Finsternis hinausgeworfen.

Christus sprach: "Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!" Markus 10,23. Seine Jünger entsetzten sich über seine Rede. Wenn ein Prediger, der in der Seelenarbeit für Jesus Christus erfolgreich gewirkt hat, seine heilige Verpflichtung aufgibt, um vergänglichen Gewinn zu erwerben, so nennt man ihn einen Abtrünnigen. Gott wird ihn für die unrechte Anwendung seiner Fähigkeiten zur Rechenschaft ziehen. Wenn Geschäftsleute, Landwirte, Handwerker, Kaufleute, Rechtsanwälte u.a. der Gemeinde beitreten, werden sie Diener Christi. Obgleich ihre Fähigkeiten völlig verschieden sein mögen, ist ihre Verantwortung, das Werk Gottes durch persönlichen Einsatz und durch ihr Vermögen zu fördern, nicht geringer als die der Prediger. Das Wehe, das für den Prediger gilt, wenn er das Evangelium nicht verkündigt, wird ebenso gewiß über den Geschäftsmann hereinbrechen, der mit seinen verschiedenen Fähigkeiten nicht mit Christus für das gleiche Ziel zusammenarbeitet. Wenn das gegen den einzelnen geltend gemacht wird, sagen manche, daß das eine harte Rede sei. Dennoch besteht sie zu Recht, wenngleich ihr fortgesetzt durch das Verhalten der Menschen widersprochen wird, die angeblich Christi Nachfolger sein wollen.

Gleichheit für alle im Geben

Durch ein Gnadenwunder verschaffte Gott in der Wüste Speise für sein Volk, und er hätte auch für alles Notwendige für den Gottesdienst sorgen können. Er tat es aber nicht, weil er in seiner unendlichen Weisheit erkannte, daß die Sittenhaftigkeit seines Volkes von der Zusammenarbeit mit ihm abhängig war, indem jeder einzelne etwas beisteuerte. Solange die Ausbreitung der Wahrheit fortschreitet, stützen sich Gottes Forderungen auf Menschen. Gerade für diesen Zweck sollen sie von dem geben, was Gott ihnen anvertraut hat. Gott, der Schöpfer des Menschen, hat durch die Einführung regelmäßiger Abgaben beabsichtigt, das Werk auf alle Menschen, ihren verschiedenen Möglichkeiten entsprechend, gleichmäßig zu verteilen.

Jeder ist gewissermaßen sein eigener Steuerprüfer. Es bleibt ihm überlassen zu geben, was er sich in seinem Herzen vornimmt. Aber es gibt auch Menschen, die sich der gleichen Sünde wie Ananias und Saphira schuldig machen. Sie meinen, daß die Brüder es nie erfahren werden, wenn sie einen Teil des Zehnten, den Gott beansprucht, zurückbehalten. So dachte auch das schuldiggewordene Paar, dessen Beispiel uns zur Warnung gegeben ist. In diesem Fall erweist sich, daß Gott das Herz erforscht. Die Beweggründe und Absichten des Menschen können ihm nicht verborgen bleiben. Er hat den Christen aller Zeiten die unüberhörbare Warnung hinterlassen, sich vor den Fallstricken der Sünde zu hüten, zu der das Herz des Menschen sich immer wieder hingezogen fühlt.

Wenn auch der Wiederholung der Sünde des Ananias und der Saphira jetzt keine sichtbaren Zeichen göttlichen Mißfallens folgen, so ist diese Sünde in den Augen Gottes noch genauso abscheulich wie damals und wird den Übertreter am Tage des Gerichtes ebenso gewiß heimsuchen. Viele werden den Fluch Gottes bereits in diesem Leben zu spüren bekommen. Wer dem Werk etwas verspricht, verspricht es Gott, und dieses Gelübde sollte heiliggehalten werden. In Gottes Augen ist es nichts anderes als Frevel, wenn wir uns etwas für unseren eigenen Bedarf aneignen, von dem wir früher einmal versprochen hatten, es zur Förderung seines heiligen Werkes zu geben.

Die Heiligkeit von Gelübden

Wenn in Gegenwart unserer Brüder das mündliche oder schriftliche Versprechen gegeben worden ist, einen bestimmten Betrag zu spenden, dann sind sie die sichtbaren Zeugen einer zwischen uns und Gott getroffenen Vereinbarung. Das Versprechen haben wir nicht Menschen, sondern Gott gegeben. Es gleicht einem Schuldschein, den wir dem Nachbarn ausgestellt haben. Keine Schuldverschreibung ist für den Christen verbindlicher als ein Gott gegebenes Versprechen.

Menschen, die auf solche Weise Verbindlichkeiten gegenüber ihren Mitmenschen übernehmen, bitten im allgemeinen nicht darum, sie von ihren Versprechungen wieder zu entbinden. Gott ist der Geber aller guten Gaben. Ein ihm gegebenes Versprechen ist jedoch viel wichtiger. Warum sollten wir dann versuchen, von unseren Gelübden entbunden zu werden, die wir Gott gegeben haben? Will der Mensch sein Versprechen nicht so bindend ansehen, weil es Gott gegeben wurde? Ist es deshalb weniger rechtsgültig, weil es von Gerichten nicht auf seine Rechtmäßigkeit geprüft wird? Kann ein Mensch, der glaubt, durch das Blut des unermeßlichen Opfers Christi gerettet zu sein, die Absicht haben, Gott zu betrügen? Werden nicht seine Gelübde und Taten gewogen auf den Waagen der Gerechtigkeit in den himmlischen Gerichtshöfen?

Jeder von uns stellt einen beim himmlischen Gerichtshof anhängigen Fall dar. Soll unsere Lebensführung gegen uns zeugen? Der Fall Ananias und Saphira war außerordentlich schwerwiegend. Sie belogen den Heiligen Geist, indem sie einen Teil des Verkaufserlöses zurückbehielten. Jeder, der ähnlich handelt, macht sich in gleicher Weise schuldig.

Wenn das menschliche Herz durch die Gegenwart des Geistes Gottes ergriffen ist, ist der Mensch empfänglicher für das Wirken des Heiligen Geistes und zeigt sich bereit, sich selbst zu verleugnen und für die Sache Gottes Opfer zu bringen. Sobald göttliches Licht unsere geheimsten Gedanken mit ungewöhnlicher Kraft und Klarheit durchleuchtet, können wir die Empfindungen des natürlichen Menschen überwinden. Die Selbstsucht verliert ihren Einfluß auf unser Herz, und wir verlangen danach, ebenso Wohltaten zu erweisen und uns selbst zu verleugnen wie unser Vorbild Jesus Christus. Die Gesinnung des von Natur aus selbstsüchtigen Menschen wird dann gegenüber verirrten Sündern freundlich und barmherzig sein. Wie Abraham und Jakob legt er ein feierliches Gelübde ab. Bei solchen Anlässen sind Engel des Himmels anwesend. Die Liebe zu Gott und zu den Menschen besiegt alle Selbstsucht und Weltliebe. Besonders ist das der Fall, wenn der Sprecher im Geist und in der Kraft Gottes den Erlösungsplan darstellt, der mit dem Golgathaopfer wirksam wurde.

Durch folgende Schriftstellen mögen wir erkennen, wie Gott über Gelübde denkt: "Und Mose redete mit den Fürsten der Stämme der Kinder Israel und sprach: Das ist's, was der Herr geboten hat: Wenn jemand dem Herrn ein Gelübde tut oder einen Eid schwört, daß er seine Seele verbindet, der soll sein Wort nicht aufheben, sondern alles tun, wie es zu seinem Munde ist ausgegangen." 4.Mose 30,2.3. "Laß deinem Mund nicht zu, daß er dein Fleisch verführe; und sprich vor dem Engel nicht: Es war ein Versehen. Gott möchte erzürnen über deine Stimme und verderben alle Werke deiner Hände." Prediger 5,5. "Darum will ich mit Brandopfern gehen in dein Haus und dir meine Gelübde bezahlen, wie ich meine Lippen habe aufgetan und mein Mund geredet hat in meiner Not." Psalm 66,13.14. "Es ist dem Menschen ein Strick, sich mit Heiligem übereilen und erst nach dem Geloben überlegen." Sprüche 20,25. "Wenn du dem Herrn, deinem Gott, ein Gelübde tust, so sollst du es nicht verziehen zu halten; denn der Herr, dein Gott, wird's von dir fordern, und es wird dir Sünde sein. Wenn du das Geloben unterwegs läßt, so ist dir's keine Sünde. Aber was zu deinen Lippen ausgegangen ist, sollst du halten und darnach tun, wie du dem Herrn, deinem Gott, freiwillig gelobt hast, was du mit deinem Mund geredet hast." 5.Mose 23,22-24.

"Gelobet und haltet dem Herrn, eurem Gott; alle, die ihr um ihn her seid, bringet Geschenke dem Schrecklichen." Psalm 76,12. "Ihr aber entheiligt ihn damit, daß ihr sagt ‚Des Herrn Tisch ist unheilig, und sein Opfer ist verachtet samt seiner Speise.' Und ihr sprecht: ‚Siehe, es ist nur Mühe!' und schlaget's in den Wind, spricht der Herr Zebaoth. Und ihr bringt her, was geraubt, lahm und krank ist, und opfert dann Speisopfer. Sollte mir solches gefallen von eurer Hand? spricht der Herr. Verflucht sei der Betrüger, der in seiner Herde ein Männlein hat, und wenn er ein Gelübde tut, opfert er dem Herrn ein untüchtiges. Denn ich bin ein großer König, spricht der Herr Zebaoth, und mein Name ist schrecklich unter den Heiden." Maleachi 1,12-14.

"Wenn du Gott ein Gelübde tust, so verzieh nicht, es zu halten; denn er hat kein Gefallen an den Narren. Was du gelobst, das halte. Es ist besser, du gelobest nichts, denn daß du nicht hältst, was du gelobest. Laß deinem Mund nicht zu, daß er dein Fleisch verführe; und sprich vor dem Engel nicht: Es war ein Versehen. Gott möchte erzürnen über deine Stimme und verderben alle Werke deiner Hände." Prediger 5,3-5.

Gott hat dem Menschen seinen Anteil bei der Errettung seiner Mitmenschen zugewiesen. Der Mensch vermag in Verbindung mit Christus zu wirken, barmherzig zu sein und wohlzutun. Er kann jedoch seine Mitmenschen nicht erlösen, weil er nicht imstande ist, den Forderungen der verletzten Gerechtigkeit zu genügen. Dies liegt ganz allein in den Händen des Sohnes Gottes, der seine Ehre und Herrlichkeit beiseite legte, seine göttliche Natur mit menschlichem Wesen umhüllte und zur Erde herabkam, sich selbst erniedrigte und sein Blut für die Menschheit vergoß.

Durch seinen Missionsauftrag an seine Jünger: "Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur", übertrug er Menschen die Aufgabe, das Evangelium auszubreiten. Während aber einige hinausgehen, um zu predigen, ruft er andere auf, seiner Forderung nach Zehnten und Gaben zu entsprechen, damit das Predigtamt unterhalten und die gedruckte Wahrheit im ganzen Land verbreitet werden kann. Das sind Gottes Mittel, um den Menschen zu läutern. Gerade diese Aufgabe braucht der Mensch; denn sie rührt an die tiefsten Empfindungen seines Herzens und läßt seine höchsten geistigen Fähigkeiten wirksam werden.

Der Mensch als Werkzeug Gottes

Als Ausdruck der Liebe Gottes zum Menschen erhielt alles Gute auf Erden durch Gottes gütige Hand seinen Platz. Er nimmt sich der Bedürftigen an und kümmert sich um die Sache des Glaubens. Den Händen der Menschen hat er Mittel anvertraut, damit seine göttlichen Gaben durch menschliche Kanäle fließen und uns ermöglichen, das uns aufgetragene Werk zur Rettung unserer Mitmenschen auszuführen. Jeder einzelne hat auf diesem weiten Gebiet seine bestimmte Aufgabe, und niemand sollte auf den Gedanken kommen, daß Gott von den Menschen abhängig ist. Er könnte ein Wort sprechen, und jedes Kind der Armut würde reich werden. Er könnte in einem Augenblick die Menschheit von allen ihren Krankheiten heilen. Er könnte die Prediger ganz und gar entbehren und Engel als Botschafter seiner Wahrheit einsetzen. Er hätte die Wahrheit an den Himmel schreiben oder sie auf die Blätter der Bäume und auf die Blumen des Feldes prägen können; er hätte sie mit unüberhörbarer Stimme vom Himmel herab verkündigen können. Aber der allweise Gott wählte nicht eine dieser Möglichkeiten. Er wußte, daß der Mensch der Arbeit bedarf, wenn ihm das Leben zum Segen werden soll. Gold und Silber sind des Herrn, und wenn er wollte, könnte er es vom Himmel regnen lassen. Statt dessen ernannte er den Menschen zu seinem Haushalter und vertraute ihm Mittel an, die nicht aufgehäuft, sondern zum Nutzen anderer Menschen verwendet werden sollten. Auf diese Weise benutzt Gott den Menschen als Mittler, um seine Segnungen auf Erden auszuteilen. Gott legte den Plan für jene Wohltätigkeit, damit der Mensch, seinem Schöpfer gleich, in seinem charakterlichen Verhalten gütig und selbstlos werde und am Ende bei ihm an dem ewigen, köstlichen Lohn teilhaben möge.

Gott wirkt durch Menschen. Wer auch immer das Gewissen der Menschen wachrüttelt, um sie zu guten Werken und aufrichtiger Anteilnahme am Wachstum der Wahrheit anzuspornen, tut dies nicht von sich aus, sondern geleitet von dem Geist Gottes, der in ihm wirkt. Heilig sind die unter diesen Umständen abgegebenen Gelöbnisse. Sie sind die Frucht des Geistes Gottes. Wenn diese Gelöbnisse erfüllt werden, nimmt der Himmel sie als Gaben an. Den freigebigen Mitarbeitern wird in gleicher Höhe gutgeschrieben, was sie in die himmlische Schatzkammer eingebracht haben. Solche Menschen legen einen guten Grund für die kommende Zeit, auf daß sie das ewige Leben ergreifen.

Wenn die unmittelbare Gegenwart des Geistes Gottes jedoch nicht so lebendig spürbar ist und sie von den vergänglichen Angelegenheiten des Lebens in Anspruch genommen werden, sind sie versucht, ihre freiwillig eingegangenen bindenden Verpflichtungen in Frage zu stellen. Nachdem sie Satans Eingebungen gefolgt sind, reden sie sich ein, unter ungebührlichem Druck gestanden und in erregter Augenblicksstimmung gehandelt zu haben. Sie möchten gern von ihren Versprechungen entbunden werden, weil die Forderung nach Mitteln für die Verwendung im Werke Gottes zu stark betont worden sei und man sie unter falschen Voraussetzungen zu Versprechungen verleitet hätte, ohne daß das, worum es ging, von ihnen völlig verstanden worden wäre. Haben Prediger die Macht, ihre Entschuldigungen anzunehmen und zu sagen: "Du brauchst nicht zu deinem Wort zu stehen, du bist von deinem Gelübde frei"? Wenn sie das wagten, machten sie sich der Sünde dessen mitschuldig, der die Mittel zurückhält ...

Eine Gemeinde ist für die Gelübde ihrer einzelnen Glieder verantwortlich. Wenn die Mitgeschwister bemerken, daß in ihren Reihen ein Bruder ist, der es versäumt, seinen Versprechungen nachzukommen, sollten sie mit ihm freundlich, aber deutlich reden. Wenn er sich in besonderen Umständen befindet, die es ihm unmöglich machen, sein Gelübde zu bezahlen, sollte ihm die Gemeinde aus Mitempfinden helfen, sofern er ein würdiges Glied ist und ein williges Herz besitzt. Auf diese Weise können sie die Schwierigkeit überbrücken und selbst gesegnet werden.

Gott möchte, daß die Glieder seiner Gemeinde ihre Verpflichtungen ihm gegenüber als genauso verbindlich ansehen wie ihre Schuld beim Kaufmann oder beim Händler. Jeder einzelne soll sein vergangenes Leben noch einmal an sich vorüberziehen lassen und nachsehen, ob irgendein unbezahltes, ungetilgtes Versprechen in Vergessenheit geraten ist. Dann sollte er sich in besonderer Weise bemühen, "auch den letzten Heller" zu bezahlen. Wir alle erwarten das endgültige Gerichtsurteil, vor dem nichts anderes standhält als Rechtschaffenheit und Wahrhaftigkeit.