Aus der Schatzkammer der Zeugnisse -- Band 2

Kapitel 10

Das Siegel Gottes

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"Und er rief mit lauter Stimme vor meinen Ohren und sprach: Laßt herzukommen die Heimsuchung der Stadt, und ein jeglicher habe eine Mordwaffe in seiner Hand."

"Und rief dem, der die Leinwand anhatte und das Schreibzeug an seiner Seite. Und der Herr sprach zu ihm: Gehe durch die Stadt Jerusalem und zeichne mit einem Zeichen an die Stirn die Leute, so da seufzen und jammern über alle Greuel, so darin geschehen. Zu jenen aber sprach er, daß ich's hörte: Gehet diesem nach durch die Stadt und schlaget drein; eure Augen sollen nicht schonen noch übersehen. Erwürget Alte, Jünglinge, Jungfrauen, Kinder und Weiber, alles tot; aber die das Zeichen an sich haben, derer sollt ihr keinen anrühren. Fanget aber an an meinem Heiligtum! Und sie fingen an an den alten Leuten, so vor dem Hause waren." Hesekiel 9,1.3-6.

Jesus ist im Begriff, den Gnadenstuhl des himmlischen Heiligtums zu verlassen, die Kleider der Rache anzulegen und seinen Zorn in Gerichten auf diejenigen auszugießen, die das göttliche Licht unbeachtet gelassen haben. "Weil nicht alsbald geschieht ein Urteil über die bösen Werke, dadurch wird das Herz der Menschen voll, Böses zu tun." Prediger 8,11. Anstatt von der Geduld und Langmut, die der Herr ihnen gegenüber geübt hat, gerührt zu werden, verhärten solche, die Gott nicht fürchten und die Wahrheit nicht lieben, ihre Herzen auf ihrem bösen Wege. Aber es gibt selbst für die Geduld Gottes Grenzen, und viele überschreiten sie. Sie haben sie niedergetreten, und deshalb muß Gott um seiner Ehre willen eingreifen.

Gott hält Abrechnung mit den Völkern

Von den Amoritern sagte der Herr: "Sie aber sollen nach vier Mannesaltern wieder hierher kommen; denn die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll." 1.Mose 15,16. Obgleich dieses Volk durch seinen Götzendienst und seine Verdorbenheit auffiel, hatte es das Maß seiner Ungerechtigkeit noch nicht voll gemacht, und darum wollte Gott den Befehl für seine endgültige Vernichtung noch nicht geben. Es sollte die Macht Gottes noch in einer besonderen Weise offenbart bekommen, damit es keine Entschuldigung hätte. Der mitleidige Schöpfer war bereit, mit dessen Ungerechtigkeit bis ins vierte Glied Nachsicht zu haben. Wenn aber dann noch keine Änderung zum Besseren eingetreten wäre, sollten seine Gerichte das Volk treffen.

Mit unfehlbarer Genauigkeit bucht der Unendliche noch die Taten aller Völker. Solange er seine Gnade mit der Aufforderung zur Buße anbietet, bleibt die Rechnung offen. Wenn aber die Ziffern eine bestimmte Höhe erreicht haben, die Gott festgesetzt hat, beginnt das Amt seines Zornes. Die Bilanz wird gezogen. Gottes Geduld ist zu Ende. Nun werden die Völker nicht mehr durch die Gnade verteidigt.

Dem Propheten, der den Weltlauf überschaute, wurde diese Zeit im Gesicht vorgeführt. Die Völker unseres Zeitalters haben beispiellose Gnadenerweisungen empfangen. Des Himmels auserwählte Segnungen sind ihnen zuteil geworden, aber wachsender Stolz, Begehrlichkeit, Abgötterei, Gottesverachtung und niedrige Undankbarkeit stehen auf ihrem Schuldkonto. Leichtfertig schließen sie ihre Rechnung mit Gott ab.

Was mich erzittern läßt, ist die Tatsache, daß solche, die das größte Licht und die größten Gnadenerweisungen empfangen haben, von der überhandnehmenden Ungerechtigkeit angesteckt worden sind. Von den Ungerechten in ihrer Umgebung beeinflußt, sind sogar viele Bekenner der Wahrheit gleichgültig geworden und von der starken Strömung des Bösen überwältigt worden. Die allgemeine Verachtung, die wahrer Frömmigkeit und Heiligkeit zuteil wird, bringt solche, die nicht in enger Verbindung mit Gott stehen, dazu, ihre Ehrfurcht vor seinem Gesetz zu verlieren. Wenn sie dem Lichte folgten und der Wahrheit von Herzen gehorchten, erschiene ihnen das heilige Gesetz angesichts dieser Verachtung und Vernachlässigung nur noch kostbarer. Die Mißachtung des göttlichen Gesetzes wird deutlicher und damit auch die Trennungslinie zwischen seinen Beobachtern und der Welt. Bei einer Klasse nimmt die Liebe zu den göttlichen Geboten in demselben Maße zu, wie bei der anderen die Verachtung dafür wächst.

Die Entscheidungsstunde naht schnell. Die rasch anwachsenden Zahlen zeigen, daß die Zeit für Gottes Heimsuchung vor der Tür steht. Obwohl er keine Freude am Strafen hat, wird er dennoch strafen, und zwar bald. Die im Lichte wandeln, werden die Zeichen der herannahenden Gefahr sehen. Aber sie dürfen nicht in ruhiger, gleichgültiger Erwartung des Verderbens leben und sich selbst mit der Zuversicht trösten, daß Gott sein Volk am Tage der Heimsuchung beschirmen wird. Weit gefehlt! Sie sollten sich klar darüber sein, daß es ihre Pflicht ist, eifrig für die Rettung anderer zu wirken und dabei mit starkem Glauben nach Gottes Hilfe auszuschauen. "Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist." Jakobus 5,16.

Der Sauerteig der Frömmigkeit hat seine Kraft noch nicht ganz verloren. Wenn die Gefahr und Entmutigung der Gemeinde am größten sind, wird die kleine Schar, die im Lichte steht, um der Greuel willen, die im Lande geschehen, seufzen und weinen. Aber ganz besonders werden sich ihre Gebete für die Gemeinde erheben, weil deren Glieder nach der Weise der Welt leben.

Die ernsten Gebete dieser wenigen Getreuen werden nicht vergeblich sein. Wenn der Herr als Vergelter kommt, wird er auch als Beschützer für alle erscheinen, die den Glauben in seiner Reinheit bewahrt und sich selbst von der Welt unbefleckt erhalten haben. Gott hat für diese Zeit verheißen, seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien und die er im Glauben aufrechterhielt, zu rächen.

Der Befehl lautet: "Gehe durch die Stadt Jerusalem und zeichne mit einem Zeichen an die Stirn die Leute, so da seufzen und jammern über alle Greuel, so darin geschehen." Hesekiel 9,4. Diese Seufzenden und Weinenden hatten das Wort des Lebens hochgehalten. Sie hatten getadelt, Rat erteilt und eingeladen. Einige, die Gott nicht geehrt hatten, zeigten Reue und demütigten ihre Herzen vor ihm. Aber die Herrlichkeit des Herrn war von Israel gewichen. Obgleich viele von ihnen die Formen des Gottesdienstes beibehielten, fehlte diesen doch die Kraft Gottes und seine Gegenwart.

Wenn sein Zorn im Gericht offenbar wird, werden sich diese demütigen und frommen Nachfolger Christi von den übrigen in der Welt durch ihre Seelenangst unterscheiden, die sich in Klagen und Weinen, Tadeln und Warnungen zeigt. Manche versuchen, einen Mantel über vorhandene Übel zu breiten und die überall herrschende große Bosheit zu entschuldigen. Dagegen werden jene, die für Gottes Ehre eifern und Liebe zu den Menschen haben, nicht Ruhe geben, um dadurch etwa begünstigt zu sein. Ihre frommen Seelen werden durch die heillosen Taten und Reden der Gottlosen Tag und Nacht gequält. Sie sind dem reißenden Strom der Ungerechtigkeit gegenüber machtlos, und das verursacht ihnen Kummer und Besorgnis. Sie trauern vor Gott, weil sie sehen müssen, daß der Glaube gerade auch in den Heimen derjenigen verachtet wird, die großes Licht erhalten haben. Sie klagen und betrüben ihre Seelen, weil Stolz, Geiz, Selbstsucht und fast jede Art von Betrug in der Gemeinde zu finden sind. Der Geist Gottes, der streng tadelt, wird unter die Füße getreten, während Satans Diener triumphieren. Gott wird entehrt und die Wahrheit wirkungslos gemacht.

Alle, die weder über ihren eigenen geistlichen Niedergang betrübt sind noch über die Sünden anderer trauern, werden das Siegel Gottes nicht erhalten. Der Herr beauftragt seine Boten, die die Mordwaffen in ihren Händen tragen: "Gehet diesem nach durch die Stadt und schlaget drein; eure Augen sollen nicht schonen noch übersehen. Erwürget Alte, Jünglinge, Jungfrauen, Kinder und Weiber, alles tot; aber die das Zeichen an sich haben, derer sollt ihr keinen anrühren. Fanget aber an an meinem Heiligtum! Und sie fingen an an den alten Leuten, so vor dem Hause waren." Hesekiel 9,5.6.

Wir erkennen, daß die Gemeinde -- des Herrn Heiligtum -- die erste sein wird, die den Zorn Gottes zu spüren bekommt. Die alten Leute, denen Gott großes Licht geschenkt hatte und die Wächter der geistlichen Belange des Volkes sein sollten, hatten das in sie gesetzte Vertrauen getäuscht. Sie hatten die Ansicht vertreten, daß wir nicht nach Wundern und auffallenden Kundgebungen Gottes auszuschauen brauchten wie in früheren Tagen. Die Zeiten haben sich geändert. Diese Worte stärken sie in ihrem Unglauben, und sie sagen: Der Herr wird weder Gutes noch Böses tun. Er ist zu barmherzig, um sein Volk im Gericht heimzusuchen. So wird "Friede und Sicherheit" zum Schlagwort jener Leute, die ihre Stimme nicht wie eine Posaune erschallen lassen wollen, um dem Volke Gottes seine Übertretungen und dem Hause Jakob seine Sünden zu zeigen. Diese stummen Hunde, die nicht bellen wollten, bekommen die gerechte Vergeltung eines beleidigten Gottes zu fühlen. Männer, Jungfrauen und kleine Kinder kommen alle zusammen um.

Die schlimmsten Sünden

Die Greuel, um derer willen die Gläubigen seufzten und weinten, waren durchweg solche, die natürliche Augen wahrnehmen konnten. Aber nicht offenbar wurden die bei weitem schlimmsten Sünden, die den Eifer des reinen und heiligen Gottes herausforderten. Der große Herzenskündiger kennt jede Sünde, die von den Werkzeugen der Ungerechtigkeit im geheimen begangen wird. Diese Menschen fühlen sich durch des Herrn Langmut in ihrem Betrug nach und nach sicher und sagen, der Herr sieht es ja nicht. Und dann handeln sie, als hätte er sich von der Erde zurückgezogen. Aber er wird ihre Heuchelei aufdecken und die Sünden, die sie so sorgfältig verbargen, vor anderen offen kundtun.

Keine Überlegenheit des Ranges, der Würde oder weltlicher Weisheit, keine Stellung in geheiligtem Dienst kann die Menschen davor bewahren, Grundsätze zu opfern, wenn sie sich auf ihre eigenen trügerischen Herzen verlassen. Solche, die man als würdig und gerecht ansah, werden sich als Rädelsführer beim Abfall und als Beispiele in der Gleichgültigkeit und dem Mißbrauch göttlicher Gnade erweisen. Gott wird ihren bösen Weg nicht länger dulden und in seinem Zorn mit ihnen verfahren.

Nur mit Widerstreben zieht der Herr seine Gegenwart von denen zurück, die mit großer Erkenntnis gesegnet waren und die im Dienste an anderen die Macht des Wortes verspürten. Einst seine treuen Diener und mit seiner Gegenwart und Führung begnadet, wandten sie sich von ihm ab und führten andere in den Irrtum und sind deshalb der göttlichen Ungnade verfallen.

Die Versiegelten

Der Tag der Vergeltung Gottes steht unmittelbar bevor. Das Siegel Gottes wird nur solchen auf die Stirn gedrückt werden, die wegen der Greuel, die im Lande geschehen, weinen und flehen. Die zur Welt hinneigen, die mit den Trunkenen essen und trinken, werden sicher mit den Ungerechten vernichtet. "Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Gebet; das Angesicht aber des Herrn steht wider die, die Böses tun." 1.Petrus 3,12.

Unsere eigene Handlungsweise wird entscheiden, ob wir das Siegel des lebendigen Gottes empfangen oder von den Waffen der Vernichtung niedergeschlagen werden. Schon sind einige wenige Tropfen vom Zorne Gottes auf die Erde gefallen. Aber wenn die sieben letzten Plagen unvermischt aus seiner Zornesschale ausgegossen werden, dann wird es zur Reue und Zuflucht für immer zu spät sein. Kein versöhnendes Blut wird die Flecken der Sünde dann noch abwaschen.

"Zur selben Zeit wird der große Fürst Michael, der für die Kinder deines Volks steht, sich aufmachen. Denn es wird eine solche trübselige Zeit sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem Leute gewesen sind bis auf diese Zeit. Zur selben Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen." Daniel 12,1. Wenn diese Zeit der Trübsal kommt, ist jeder Fall entschieden. Es gibt fortan keine Prüfungszeit mehr und keine Gnade für die Unbußfertigen. Das Siegel Gottes ist seinem Volke aufgedrückt. Die wenigen übrigen, die unfähig sind, sich in dem tödlichen Kampf mit den Mächten der Welt, die vom Drachen angeführt werden, zu verteidigen, nehmen bei Gott ihre Zuflucht. Die höchsten irdischen Gewalten haben die Verfügung erlassen, daß die Menschen bei Strafe der Verfolgung und des Todes das Tier anbeten und sein Malzeichen annehmen sollen. Möge Gott dann seinem Volke helfen! Denn was kann es in solch einem furchtbaren Kampf ohne seinen Beistand ausrichten?

Mut, Seelenstärke, Glaube und unbedingtes Vertrauen zu Gottes Rettermacht überkommen uns nicht in einem Augenblick. Diese himmlischen Gnadengüter werden nur durch die Erfahrung von Jahren erworben. Durch ein Leben heiligen Bemühens und standhafter Anhänglichkeit an das Recht haben die Kinder Gottes ihr Geschick besiegelt. Von zahllosen Versuchungen umgeben, wußten sie, daß sie standhaft widerstehen müßten oder untergehen würden. Ihnen war bewußt, daß sie eine große Aufgabe zu bewältigen hätten und daß sie zu irgendeiner Stunde aus dem Kampf abberufen werden könnten. Und sollten sie ihr Leben beschließen, ohne ihr Werk vollendet zu haben, dann würde das ewigen Verlust für sie bedeuten. Begierig nahmen sie das Licht vom Himmel an, wie es die ersten Jünger von den Lippen Jesu erhalten hatten. Wenn jene ersten Christen in die Berge und Wüsten verbannt worden waren, wenn man sie in Gefängnissen vor Hunger, Kälte und Folterungen hatte sterben lassen, wenn das Martyrium als der einzige Weg aus ihrer Qual erschien, dann freuten sie sich doch, daß sie wert gehalten waren, für Christus zu leiden, der für sie gekreuzigt worden war. Ihr würdiges Beispiel wird für das Volk Gottes, über das eine Zeit nie dagewesener Trübsal kommen soll, Trost und Ermutigung sein.

Nicht alle bekenntlichen Sabbathalter werden versiegelt. Unter ihnen sind viele, die anderen sogar die Wahrheit bringen und selbst doch nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen erhalten werden. Sie besaßen viel Licht, sie kannten des Meisters Willen, sie verstanden alle Einzelheiten unseres Glaubens, aber sie hatten keine dementsprechenden Werke aufzuweisen. Die mit der Weissagung und den Schätzen göttlicher Weisheit so vertraut waren, hätten ihren Glauben ausleben sollen. Sie hätten ihren Haushalt so vorbildlich führen müssen, daß sie der Welt durch ein wohlgeordnetes Familienleben den Einfluß der Wahrheit auf das menschliche Herz hätten vorleben können.

Ihnen fehlten Eifer und Frömmigkeit, und darum erreichten sie keinen hohen Glaubensstand. So bewirkten sie, daß auch andere mit ihrem Stand zufrieden waren. Menschen von begrenzter Urteilsfähigkeit sehen nicht immer, daß sie sich unweigerlich gefährden, wenn sie diejenigen zum Vorbild nehmen, die ihnen so oft die Schätze des göttlichen Wortes aufgeschlossen haben. Jesus ist das einzig wahre Vorbild. Jeder muß jetzt auf den Knien vor Gott die Bibel mit dem demütigen, gelehrigen Herzen eines Kindes durchforschen, wenn er wissen möchte, was der Herr von ihm verlangt. Wie hoch immer ein Prediger in der Gnade Gottes gestanden haben mag, so wird er in Finsternis und satanischen Betrug fallen und anderen denselben Weg weisen, wenn er sich weigert, wie ein kleines Kind zu lernen, und wenn er das ihm von Gott gegebene Licht vernachlässigt.

Keiner von uns wird je das Siegel Gottes erhalten, wenn unsere Charaktere noch Flecken oder Runzeln aufweisen. Es bleibt uns überlassen, unsere Fehler auszumerzen und den Tempel der Seele von jeglicher Verunreinigung zu säubern. Dann aber wird der Spätregen auf uns fallen wie der Frühregen auf die Jünger zu Pfingsten.

Wir sind gar zu leicht mit dem zufrieden, was wir erreichten. Wir kommen uns reich und begabt mit Gütern vor und wissen nicht, daß wir "elend und jämmerlich, arm, blind und bloß" sind. Offenbarung 3,17. Darum ist jetzt die Zeit, die Ermahnung des treuen Zeugen zu beachten: "Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest, und weiße Kleider, daß du dich antust und nicht offenbart werde die Schande deiner Blöße; und salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du sehen mögest." Offenbarung 3,18.

Wir brauchen einen lebendigen Glauben

Wir sind in diesem Leben schweren Prüfungen ausgesetzt und müssen große Opfer bringen, aber der Friede Christi ist unser Lohn. Man findet heute so wenig Selbstverleugnung, so wenig Bereitschaft, für Christus zu leiden, daß das Kreuz fast ganz in Vergessenheit geraten ist. Wenn wir als Sieger mit ihm auf seinem Throne sitzen wollen, dann müssen wir auch Teilhaber seiner Leiden werden. Solange wir den leichten Weg der Selbstzufriedenheit erwählen und uns vor Selbstverleugnung fürchten, wird unser Glaube niemals fest werden, und wir vermögen weder den Frieden Jesu zu schmecken noch die Freude, die aus bewußt errungenem Siege kommt. Die Vornehmsten der erlösten Schar, die in weißen Kleidern vor dem Throne Gottes und des Lammes stehen, sind erprobt im Kampf des Überwindens, denn sie sind aus großer Trübsal gekommen. Die aber lieber den Umständen nachgaben, statt an diesem Kampfe teilzunehmen, werden nicht wissen, wie sie an jenem Tage standhalten sollen, wenn jede Seele in Angst gerät. Selbst Noah, Hiob und Daniel könnten weder Sohn noch Tochter retten, denn jeder wird nur seine eigene Seele durch seine Gerechtigkeit erretten.

Niemand darf sagen, daß sein Fall hoffnungslos ist, daß er das Leben eines Christen nicht führen kann. Für jeden Menschen ist durch den Tod Christi weitgehend vorgesorgt worden. In der Zeit der Not ist Jesus unser allgegenwärtiger Helfer. Rufe ihn nur im Glauben an, er hat verheißen, deine Bitten zu hören und zu beantworten.

Wie herrlich ist es doch um einen lebendigen, tätigen Glauben bestellt! Wir brauchen ihn, wir müssen ihn unbedingt haben, oder wir werden am Tage der Versuchung schwach und versagen. Die Finsternis, die dann unseren Weg verhüllen wird, darf uns nicht entmutigen oder zur Verzweiflung treiben. Sie ist der Schleier, mit dem Gott seine Herrlichkeit bedeckt, um uns reichen Segen zu verleihen. Wir sollten das aus unserer Erfahrung in der Vergangenheit wissen. An jenem Tage, wenn sich Gott mit seinem Volke auseinandersetzt, wird ihnen diese Erfahrung eine Quelle des Trostes und der Hoffnung sein.

Wir müssen jetzt alles daransetzen, uns und unsere Kinder von der Welt unbefleckt zu erhalten. Jetzt müssen wir unsere Kleider waschen und sie im Blute des Lammes hell machen. Jetzt müssen wir Stolz, Leidenschaft und geistliche Trägheit überwinden. Jetzt müssen wir erwachen und entschiedene Anstrengungen zur Formung unseres Charakters machen. "Heute, so ihr hören werdet seine Stimme, so verstocket eure Herzen nicht." Hebräer 3,7.8.15. Wir sind in einer höchst kritischen Lage, auch wenn wir wachsam auf das Erscheinen unseres Herrn warten. Die Welt liegt in Finsternis. "Ihr aber, liebe Brüder", sagt Paulus, "seid nicht in der Finsternis, daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife." 1.Thessalonicher 5,4. Gott will wartenden und verlangenden Seelen aus der Finsternis Licht schaffen, aus der Trübsal Freude hervorgehen lassen, er will sie aus der Drangsal in die Ruhe bringen.

Womit helft ihr, Brüder, bei dem großen Werk der Vorbereitung? Jene, die Verbindung mit der Welt pflegen, werden von der Welt geprägt und bereiten sich auf das Malzeichen des Tieres vor. Solchen, die sich mißtrauen, sich aber vor Gott demütigen und ihre Seelen durch Gehorsam gegen die Wahrheit reinigen, wird dagegen das himmlische Wesen aufgeprägt; sie machen sich bereit, das Siegel Gottes an ihren Stirnen zu empfangen. Sobald der Befehl ausgeht, sie mit dem Zeichen zu versehen, wird ihr Charakter auf ewig rein und fleckenlos bleiben.

Heute ist die Zeit der Vorbereitung. Niemals wird das Siegel Gottes auf die Stirn eines Unreinen gedrückt, niemals auf die Stirn eines ehrgeizigen Mannes oder einer weltlichen Frau, niemals auf die Stirn eines doppelzüngigen Mannes oder einer betrügerischen Frau. Wer dieses Siegel empfängt, muß als Anwärter auf den Himmel vor Gott ohne Flecken dastehen. Vorwärts, liebe Geschwister. Ich kann jetzt nur kurz über diesen Gegenstand schreiben und eure Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit der Vorbereitung lenken. Forscht selbst in der Heiligen Schrift, damit ihr die erhabene Feierlichkeit dieser Stunde besser erkennt.

Selbst unser irdisches Leben sollte nicht um den Preis der Treulosigkeit erkauft werden. Durch ein Wort oder ein Kopfneigen hätten die Märtyrer die Wahrheit verleugnen und ihr Leben retten können. Durch ein einziges Körnchen Weihrauch auf dem Götzenaltar hätten sie sich vor der Folter, dem Schwert oder dem Kreuz retten können. Aber sie verabscheuten die Lüge in Wort und Tat, obgleich sie als Lohn für solche Handlungsweise ihr Leben hätten erhalten können. Sie erwählten viel lieber Gefängnis, Folter und Tod bei klarem Bewußtsein, als sich die Freiheit durch Betrug, Lüge und Abfall zu erkaufen. Durch ihre unbedingte Treue zu Christus erwarben sie sich fleckenlose Gewänder und juwelengeschmückte Kronen. Ihr Leben wurde in den Augen Gottes geadelt und erhöht, weil sie unter schwersten Bedingungen standhaft für die Wahrheit eintraten. Testimonies for the Church IV, 336 (1879).