Aus der Schatzkammer der Zeugnisse -- Band 2

Kapitel 11

Ein Aufruf

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Was soll ich euch sagen, liebe Brüder, damit ihr aus eurer fleischlichen Sicherheit erwacht? Eure Gefahren sind mir gezeigt worden. In der Gemeinde gibt es Gläubige und Ungläubige. Christus stellt beide in seinem Gleichnis vom Weinstock und den Reben dar. Er ermahnt seine Nachfolger: "Bleibet in mir, und ich in euch. Gleichwie die Rebe kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun." Johannes 15,4.5.

Es besteht ein großer Unterschied zwischen einer vorgeblichen und einer wirklichen Vereinigung mit Christus im Glauben. Das Bekenntnis der Wahrheit bringt Menschen in die Gemeinde, aber es beweist nicht, daß sie die nötige Verbindung mit dem lebendigen Weinstock haben. Es gibt eine Regel, nach der man die echten Jünger von denen unterscheiden kann, die wohl behaupten, Christi Nachfolger zu sein, aber doch nicht an ihn glauben: Die einen bringen Früchte, die anderen nicht. Die einen werden oft dem Winzermesser Gottes unterworfen, damit sie mehr Frucht bringen: die anderen werden als verdorrte Reben von dem lebendigen Weinstock getrennt.

Ich bin sehr besorgt, daß wir das lebendige Zeugnis bewahren und die Gemeinde von den Ungläubigen reinhalten. Können wir uns eine engere, vertrautere Beziehung zu Christus vorstellen, als sie in den Worten ausgedrückt wird: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben"? Die Fasern der Rebe sind nahezu eins mit denen des Weinstocks. Das Überströmen des Lebens, der Kraft und der Fruchtbarkeit vom Stamm in die Reben geht ungehindert und ständig vor sich. Die Wurzel sendet ihre Nährstoffe in den Zweig. So ist auch die Beziehung des Gläubigen zu Christus. Er bleibt in Christus und empfängt seine Nahrung von ihm.

Nur die Ausübung persönlichen Glaubens kann diese geistliche Beziehung begründen. Diesen Glauben müßten wir über alles stellen, uns ganz auf ihn verlassen und durch ihn geheiligt werden. Unser Wille muß dem göttlichen Willen völlig unterstellt werden. Unsere Gefühle, Wünsche, Neigungen und Ehre sollen gleichbedeutend sein mit der Förderung des Reiches Christi und der Ehre seiner Sache, da uns ständig seine Gnade zuteil wird und Christus unseren Dank dafür entgegennimmt.

Wenn solche innige Verbindung und Gemeinschaft hergestellt ist, werden unsere Sünden auf Christus gelegt, und seine Gerechtigkeit wird uns zugerechnet. Er wurde für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. Durch ihn haben wir Zugang zu Gott, und in dem Geliebten werden wir angenommen. Wer durch Wort und Tat einem Gläubigen Unrecht tut, verletzt damit Jesus. Reicht jemand einem Jünger als einem Kinde Gottes einen Becher kalten Wassers, so sieht Christus das als ihm persönlich gespendet an.

Als Christus im Begriff war, von seinen Jüngern Abschied zu nehmen, gab er ihnen jenes schöne Sinnbild seiner Beziehung zu den Gläubigen. Er hatte ihnen die enge Verbindung mit sich gezeigt, durch die sie ihr geistliches Leben weiterführen könnten, wenn ihnen seine sichtbare Gegenwart entzogen war. Um ihnen diese Vorstellung recht eindrucksvoll zu machen, nannte er ihnen den Weinstock als das passendste und geeignetste Sinnbild.

Die Juden hatten den Weinstock immer als die edelste Pflanze und als Beispiel für alles Starke, Ausgezeichnete und Fruchtbare angesehen. "Der Weinstock", wollte unser Herr ihnen anscheinend sagen, "den ihr so hoch schätzt, ist ein Sinnbild. Ich bin es in Wirklichkeit, ich bin der wahre Weinstock. Als Volk schätzt ihr diese Pflanze. Als Sünder solltet ihr mich über alle Dinge auf Erden wert halten. Die Rebe kann nicht getrennt vom Weinstock leben; ebensowenig könnt ihr leben, wenn ihr nicht an mir bleibt."

Sucht eine geeignete Umgebung für euer Heim

Nur wenige machen sich klar, wie wichtig es ist, alle Verbindungen, die dem Glaubensleben abträglich sind, soviel wie möglich zu meiden. Bei der Wahl ihrer Umgebung setzen nur wenige das geistliche Gedeihen an die erste Stelle.

In Scharen strömen Eltern mit ihren Kindern in die Städte, weil sie meinen, ihren Lebensunterhalt dort leichter als auf dem Lande zu verdienen. Die Kinder, die, wenn sie nicht gerade in der Schule sind, keine Beschäftigung haben, werden auf der Straße groß. Von schlechten Kameraden nehmen sie ausschweifende und lasterhafte Gewohnheiten an. Die Eltern sehen das alles, aber da die Berichtigung ihres Irrtums ein Opfer erfordert, bleiben die Kinder, wo sie sind, bis Satan volle Herrschaft über sie gewonnen hat. Opfert lieber alle weltlichen Rücksichten, als daß ihr die kostbaren Seelen gefährdet, die eurer Fürsorge anvertraut sind. Sie werden von Versuchungen bestürmt und sollten unterwiesen werden, ihnen zu begegnen. Es ist eure Pflicht, jeden Einfluß zu unterbinden, mit jeder Gewohnheit zu brechen, jedes Band durchzuschneiden, das euch und eure Familie zurückhalten will, euch Gott ganz frei, aufrichtig und von Herzen zu übergeben.

Statt der übervölkerten Stadt sucht euch einen stillen Ort, wo eure Kinder soweit wie möglich vor Versuchung behütet sind, und dort unterrichtet und erzieht sie zu nützlichen Menschen. Der Prophet Hesekiel zählt die Gründe, die Sodoms Sünde und Untergang verursachten, folgendermaßen auf: "Hoffart, Brot in Fülle und sorglose Ruhe (oder: Wohlleben) war ihr samt ihren Tochterstädten eigen; aber den Armen und Notleidenden reichten sie niemals die Hand zur Hilfe." Hesekiel 16,49 (Menge). Alle, die dem Verhängnis Sodoms entrinnen wollen, müssen das Leben meiden, das Gottes Gericht über diese lasterhafte Stadt brachte.

Liebe Brüder, ihr mißachtet die heiligsten Forderungen Gottes, weil ihr es versäumt, euch und eure Kinder ihm zu weihen. Viele von euch wiegen sich in falsche Sicherheit, gehen ganz in selbstsüchtigen Neigungen auf und lassen sich von irdischen Schätzen locken. Ihr fürchtet nichts Böses. Die Gefahr scheint euch weit entfernt zu sein. Zu eurem ewigen Schaden werdet ihr euch arg täuschen, falls ihr nicht aufwacht und in tiefer Reue und Demut zum Herrn zurückkehrt.

Immer wieder hat euch die Stimme vom Himmel angesprochen. Wollt ihr ihr gehorchen, wollt ihr den Rat des treuen Zeugen beachten, im Feuer geläutertes Gold zu suchen, weiße Kleider anzulegen und Augensalbe zu kaufen? Das Gold ist Glaube und Liebe; die weißen Kleider sind die Gerechtigkeit Christi; die Augensalbe ist das geistliche Unterscheidungsvermögen, das euch befähigt, Satans Tücken zu erkennen und zu meiden, die Sünde wahrzunehmen und zu verabscheuen und die Wahrheit einzusehen und ihr zu gehorchen.

Der Todesschlaf der Welt lähmt eure Sinne. Die Sünde erscheint euch nicht mehr abstoßend, weil ihr von Satan verblendet seid. Die Gerichte Gottes werden bald auf die Erde ausgegossen werden. "Rette dich: es gilt dein Leben!" (1.Mose 19,17, Menge), lautet die Warnung der Engel Gottes. Aber andere Stimmen sagen: "Seid nicht so aufgeregt, es gibt keinen Grund zu besonderer Sorge." Die in Zion bequem geworden sind, rufen: "Friede und Sicherheit", während der Himmel verkündet, daß die schnelle Vernichtung, die den Übertreter hinwegraffen wird, vor der Türe steht. Die Jungen, Leichtsinnigen und Vergnügungssüchtigen sehen diese Warnungen als müßiges Geschwätz an und wenden sich mit einem Scherz ab. Eltern sind geneigt zu denken, daß ihre Kinder schon auf dem rechten Wege sind, und alle schlafen gemächlich weiter. So war es auch beim Untergang der Alten Welt, und als Sodom und Gomorrha vom Feuer verzehrt wurden. In der Nacht vor ihrer Zerstörung schwelgten die Städte in Vergnügungen. Lot wurde wegen seiner Besorgnisse und Warnungen verspottet. Aber gerade diese Spötter kamen dann in den Flammen um. In eben derselben Nacht wurde für die sorglosen, lasterhaften Einwohner Sodoms die Gnadentür für immer geschlossen.

Gott hält das Schicksal der Menschen in seiner Hand. Er wird seiner nicht immer spotten und mit sich scherzen lassen. Seine Gerichte gehen schon durch das Land. Wilde, furchtbare Stürme hinterlassen Zerstörung und Tod. Verzehrende Feuersbrünste legen einsame Wälder und bevölkerte Städte nieder. Sturm und Schiffbruch erwarten die Seereisenden. Unfälle bedrohen alle Reisenden auf dem Lande. Orkane, Erdbeben, Schwert und Hungersnot lösen einander in schneller Folge ab. Trotzdem sind die Herzen der Menschen verhärtet. Sie erkennen die warnende Stimme Gottes nicht. Sie wollen die einzige Zuflucht vor dem heraufziehenden Sturm nicht aufsuchen.

Viele, die auf die Mauern Zions gestellt wurden, um das Herannahen der Gefahr mit Adleraugen zu erspähen und ihre warnende Stimme zu erheben, sind selber eingeschlafen. Gerade die in der Stunde der Gefahr am tätigsten und wachsamsten sein sollten, vernachlässigen ihre Pflicht und bringen damit das Blut andrer Menschen über sich.

Ihr habt versäumt, euren Kindern die rechte Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu ermutigen, wie sie es brauchen. Ihr habt sie nicht mit den zarten Seilen der Liebe an euch gefesselt. Euer Geschäft beansprucht eure Zeit und Kräfte weitgehend und veranlaßt euch, eure häuslichen Pflichten zu vernachlässigen. Doch habt ihr euch so sehr an diese Last gewöhnt, daß es für euch ein großes Opfer bedeuten würde, sie niederzulegen. Wenn ihr es aber fertig brächtet, wäre es noch immer für euer geistliches Leben, für das Glück und die Sitten eurer Kinder vorteilhaft. Es wäre gut, ihr legtet die verwirrenden Sorgen beiseite und suchtet euch einen Zufluchtsort auf dem Lande, wo der verderbliche Einfluß auf das sittliche Leben der Jugend nicht so stark ist.

Gewiß, ihr wäret auch auf dem Lande nicht völlig frei von Sorgen und Plagen, aber ihr würdet dort manchem Übel aus dem Wege gehen und zahllosen Versuchungen die Tür verschließen, die die Seele eurer Kinder zu überwältigen drohen. Sie brauchen Beschäftigung und Abwechslung. Die Eintönigkeit ihres Heims macht sie mißmutig und ruhelos. Infolgedessen haben sie sich an den Umgang mit den lasterhaften Burschen der Stadt gewöhnt und bekommen so eine Straßenerziehung. Testimonies for the Church IV, 135.136 (1876).