Aus der Schatzkammer der Zeugnisse -- Band 3

Kapitel 68

Eintracht in Jesus Christus

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Als ich im September 1904 die beratende Versammlung des Generalkonferenzausschusses besuchte, beschäftigten sich meine Gedanken stark mit der Eintracht, die in unserm Werke herrschen sollte. Ich konnte nicht alle Versammlungen besuchen; doch in der Nacht zog eine Szene nach der andern an mir vorüber, und ich empfand, daß ich unsern Geschwistern an vielen Orten eine Botschaft zu bringen hätte.

Mein Herz ist schmerzerfüllt, wenn ich sehe, wie wir bei solch herrlichen Möglichkeiten, unsre Kräfte und Fähigkeiten auf den höchsten Entwicklungsstand zu bringen, damit zufrieden sind, Zwerge im Werke Christi zu sein. Gott wünscht, daß alle seine Diener zum vollen Maße von Männern und Frauen in Christus heranreifen. Wo Leben ist, da ist Wachstum, das Wachstum ist ein Zeichen der Lebenskraft. Worte und Taten geben der Welt ein lebendiges Zeugnis von dem, was das Christentum an den Nachfolgern Christi vollbringt.

Wenn ihr eure Arbeit unbeeinflußt durch den Wortstreit oder die Kritik andrer verrichtet, werden ihr Freiheit, Licht und Kraft innewohnen, die den Anstalten und Unternehmungen, in denen ihr tätig seid, einen guten Ruf und Einfluß verleihen werden.

Denkt daran, daß ihr nicht auf festem Grund steht, wenn ihr aufgeregt seid und euch damit belastet, jeden Menschen bessern zu wollen, der in eure Nähe kommt. Wenn ihr der Versuchung nachgebt, eure Mitmenschen zu kritisieren, ihre Fehler herauszustellen und ihre Arbeit herabzusetzen, könnt ihr sicher sein, daß ihr eure Aufgabe nicht edel und gut ausführen könnt.

In dieser Zeit muß jeder Mann in verantwortlicher Stellung und jedes Gemeindeglied seine Arbeit in Übereinstimmung mit den Lehren des Wortes Gottes bringen. Wir wollen der Welt durch unermüdliche Wachsamkeit, durch inbrünstiges Gebet und durch Christus ähnliche Worte und Taten zeigen, wie Gott seine Gemeinde haben möchte.

Von seiner hohen Stellung aus sah Christus, der König der Herrlichkeit, die Majestät des Himmels, den Zustand der Menschen. Er fühlte tiefes Mitleid mit den sündigen und schwachen menschlichen Wesen und kam auf diese Erde, um ihnen Gott zu offenbaren. Er verließ die königlichen Hallen und kleidete sein göttliches Wesen in Menschengestalt, um unsertwillen einen vollkommenen Charakter zu gestalten. Er wählte seine Wohnstätte nicht unter den Reichen der Erde. Er wurde in Armut und niedriger Herkunft geboren und lebte in der verachteten Stadt Nazareth. Sobald er mit Werkzeugen umgehen konnte, beteiligte er sich an der Aufgabe, für die Familie zu sorgen.

Christus demütigte sich selbst, um an die Spitze der Menschheit zu treten, den Versuchungen zu begegnen und die Anfechtungen zu ertragen, die die Menschen zu erdulden und zu erleiden haben. Er mußte erfahren, was die Menschen von dem gefallenen Feind hinnehmen müssen, um zu wissen, wie er den Versuchten zu Hilfe kommen kann.

Christus ist zu unserem Richter bestellt worden. Der Vater ist nicht der Richter, auch die Engel nicht. Der die menschliche Natur auf sich nahm und auf dieser Erde ein vollkommenes Leben führte, soll uns richten. Er allein kann unser Richter sein. Wollt ihr daran denken, Brüder? Wollt ihr es nicht vergessen, ihr Prediger? Wollt ihr es stets im Gedächtnis behalten, ihr Väter und Mütter? Christus wurde Mensch, um unser Richter sein zu können. Niemand von euch ist dazu bestimmt, seine Mitmenschen zu richten. Alles, was ihr tun könnt, ist, euch selbst in Zucht zu nehmen. Im Namen Christi flehe ich euch an, seinem Gebot zu folgen und euch nie auf einen Richterstuhl zu setzen. Täglich klang die Botschaft in meinen Ohren: "Komm herab vom Richterstuhl. Komm herab und sei demütig."

Nie gab es eine Zeit, da es wichtiger gewesen wäre, uns selbst zu verleugnen und täglich das Kreuz auf uns zu nehmen, als jetzt. Wie weit wollen wir in der Selbstverleugnung gehen?

Ein Leben in Gnade und Frieden

Im ersten Kapitel des zweiten Petrusbriefes findet ihr die Verheißung, daß Gnade und Friede in euch wachsen, wenn ihr darreicht "in eurem Glauben Tugend und in der Tugend Erkenntnis und in der Erkenntnis Mäßigkeit und in der Mäßigkeit Geduld und in der Geduld Gottseligkeit und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe allgemeine Liebe". 2.Petrus 1,5-7. Diese Tugenden sind wunderbare Schätze. Sie bringen es dahin, "daß ein Mann teurer sein soll denn feines Gold und ein Mensch werter denn Goldes Stücke aus Ophir". Jesaja 13,12.

"Denn wo solches reichlich bei euch ist, wird's euch nicht faul noch unfruchtbar sein lassen in der Erkenntnis unsers Herrn Jesu Christi." 2.Petrus 1,8.

Wollen wir uns nicht bemühen, den besten Gebrauch von unsern Fähigkeiten in der kurzen Zeit unsres Lebens zu machen und Gnade zu Gnade und Kraft zu Kraft hinzuzufügen und zu zeigen, daß wir eine Kraftquelle im Himmel haben? Christus sagt: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden." Matthäus 28,18. Für wen ist ihm diese Macht übergeben worden? Für uns. Daß er als unser Bruder in den Himmel zurückgekehrt ist und daß die ihm übergebene unermeßliche Kraft auch uns zur Verfügung steht, das sollen wir nach seinem Willen erkennen.

Wer in seinem Leben die Anweisung des Apostels Petrus an die Gemeinde ausführt, wird Kraft von oben empfangen. Wir sollen zunehmen und allen unsern Fleiß daransetzen, unsre Berufung und Erwählung festzumachen. In unsern Worten und Taten sollen wir Christus veranschaulichen, sein Leben führen. Die Grundsätze, die ihn leiteten, sollen Richtschnur auch für unser Verhalten zu den Mitmenschen sein.

Wenn wir sicher in Christus gegründet sind, haben wir eine Kraft, die uns kein Mensch nehmen kann. Wie kommt das? Wir sind Teilhaber der göttlichen Natur und dem Verderben, das durch die Lust in die Welt gekommen ist, entflohen. Wir sind Teilhaber der Natur dessen, der als Mensch auf diese Erde kam, um an die Spitze des Menschengeschlechtes zu treten und einen Charakter zu entwickeln, der ohne die Flecken und Runzeln der Sünde ist.

Warum sind viele von uns so schwach und kraftlos? Weil wir auf uns selbst schauen, über unsre Launen nachdenken und überlegen, wie wir uns, unsrer Persönlichkeit und unsern Eigenheiten Geltung verschaffen können, anstatt über Christus und seinen Charakter nachzudenken.

Brüder, die von Christus lernten, könnten einträchtig miteinander wirken, wenn sie vergäßen, daß sie Amerikaner, Deutsche, Franzosen, Schweden, Dänen oder Norweger sind. Offensichtlich nehmen sie sich zu Herzen, daß sie etwas von der Eigenart ihres Landes oder Volkstums einbüßten, arbeiteten sie mit den Angehörigen anderer Völker zusammen.

Meine Brüder, wir wollen all dies beiseite tun. Wir haben kein Recht, uns in unsern Gedanken nur mit uns selbst zu beschäftigen, mit unsern Vorzügen und Neigungen. Wir sollten nicht danach trachten, unsre Persönlichkeit und Eigenart zu erhalten, die uns von unsern Mitarbeitern trennt. Wohl haben wir einen Charakter zu bewahren, aber das ist der Charakter Christi. Wenn wir das Wesen Christi besitzen, dann können wir auch Gottes Werk gemeinsam durchführen. Der Christus in uns wird dem Christus in unsern Brüdern begegnen, und der Heilige Geist wird die Einmütigkeit in Gesinnung und Tat schenken, die der Welt bezeugt, daß wir Gottes Kinder sind. Möge der Herr uns helfen, dem Ich abzusterben und von neuem geboren zu werden, damit Christus in uns lebe als lebendiger, schaffender Grundsatz, als eine Kraft, die uns heilig erhält.

Strebt ernstlich nach Eintracht. Betet darum, arbeitet dafür. Sie wird eine geistliche Gesundung, edle Gedanken, Hoheit des Charakters und eine himmlische Gesinnung zur Folge haben. Sie wird euch befähigen, Selbstsucht und Argwohn abzulegen und in allem weit zu überwinden durch den, der euch geliebt und sich selbst für euch dargegeben hat. Kreuzigt das Ich und achtet andre höher als euch selbst. So werdet ihr mit Christus eins werden. Vor dem ganzen Himmel, vor der Gemeinde und vor der Welt werdet ihr so den Beweis erbringen, daß ihr Söhne und Töchter Gottes seid. Gott aber wird durch das Beispiel, das ihr gebt, verherrlicht werden.

Die Welt muß das Wunder vor ihren Augen sehen, daß die Herzen der Kinder Gottes in christlicher Liebe miteinander verbunden sind. Sie muß des Herrn Volk gemeinsam mit Christus an himmlischen Stätten sitzen sehen. Wollt ihr nicht durch euer Leben davon Zeugnis geben, was die Wahrheit Gottes für alle zu tun vermag, die ihn lieben und ihm dienen? Gott weiß, was ihr sein könntet. Er weiß, was seine Gnade für euch tun könnte, wenn ihr Teilhaber der göttlichen Natur würdet.