Wir haben einen Fürsprecher

Kapitel 5

Licht durch Finsternis

[AUDIO]

Durch alle Jahrhunderte hindurch zeigen die großen Reformationen im Werk Gottes eine auffallende Gleichartigkeit. Die Grundzüge des göttlichen Handelns mit den Menschen ändern sich nicht. Wichtige Bewegungen der Gegenwart haben ihre Parallelen in der Vergangenheit, und die Erfahrungen der Gemeinde früherer Zeiten bieten wertvolle Lehren für die Gegenwart.

Gott hat seine Diener auf Erden durch seinen Heiligen Geist in der Fortführung des Heilswerkes allezeit gelenkt. Das lehrt die Bibel mit aller Deutlichkeit. Menschen sind Werkzeuge in Gottes Hand; er bedient sich ihrer, um seine Absichten der Gnade und Barmherzigkeit zu verwirklichen. Jeder hat seine Aufgabe; jedem wird ein gewisses Maß an Erkenntnis zuteil, das den Erfordernissen der jeweiligen Zeit entspricht und zur Durchführung des Werkes befähigt, das Gott aufgetragen hat. Kein Mensch aber, mag er auch mit großen Gnadengaben ausgerüstet worden sein, hat je eine vollkommene Erkenntnis des großen Heilsplanes empfangen oder auch die göttliche Absicht in dem Werk für seine Zeit völlig erkannt. Menschen können nie bis ins letzte begreifen, was Gott durch die Aufgabe, die er ihnen anvertraute, erreichen will; sie können den ganzen Inhalt der Botschaft, die sie in seinem Namen verkündigen, nicht erfassen.

Selbst die Propheten, denen durch den Heiligen Geist besondere Klarheit geschenkt worden war, erfaßten die Bedeutung der ihnen anvertrauten Offenbarungen nur zum Teil. Erst nach und nach sollte ihnen der tiefe Sinn entfaltet werden, so wie das Volk Gottes die darin enthaltenen Belehrungen benötigen würde. Obgleich die Propheten die ihnen offenbarten Dinge noch nicht völlig verstehen konnten, suchten sie doch ernsthaft all das zu begreifen, was ihnen von Gott kundgetan worden war. Sie suchten und forschten, auf welche und welcherlei Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war. Welch eine Lehre für die Kinder Gottes im christlichen Zeitalter, um derentwillen diese Weissagungen den Dienern Gottes gegeben wurden! Nicht für sie selbst, sondern für uns wurden sie gegeben. Schaut diese heiligen Männer Gottes an, die forschten und suchten in den Offenbarungen, die sie für noch nicht geborene Geschlechter empfangen hatten. Ihr heiliger Eifer steht im Gegensatz zu der sorglosen Gleichgültigkeit, mit der die Begnadeten späterer Jahrhunderte mit dieser Gabe des Himmels umgingen. Welch ein Vorwurf für die Gleichgültigkeit derjenigen, die sich mit der Erklärung zufrieden geben, die Weissagungen seien nicht zu verstehen!

Obwohl es dem begrenzten menschlichen Verstand unmöglich ist, Gottes Ratschlüsse zu begreifen und seine Absichten völlig zu verstehen, so liegt es doch häufig nur an den Mißverständnissen und Versäumnissen der Menschen, daß sie die Botschaften vom Himmel so unklar erfassen. Nicht selten sind unsere Sinne, ja sogar die der Knechte Gottes, durch menschliche Anschauungen, Satzungen und falsche Lehren so verblendet, daß sie die wichtigen Gedanken, die er in seinem Wort offenbart hat, nur teilweise begreifen können. So erging es auch den Jüngern, obwohl der Heiland persönlich bei ihnen war. Ihr Verständnis war stark beeinflußt von den allgemeinen Vorstellungen vom Messias, in ihm einen weltlichen Fürsten zu sehen, der Israel zu einer weltumspannenden Großmacht emporbringen sollte. Daher konnten sie auch seine Worte, die seine Leiden und seinen Tod voraussagten, nicht begreifen.

Christus selbst hatte sie mit der Botschaft hinausgesandt: "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium." Markus 1,15. Diese Botschaft gründet sich auf Daniel 9. Der Engel hatte einst erklärt, daß die neunundsechzig Wochen bis auf Christus, den Fürsten, reichen sollten; und mit großen Hoffnungen und freudigen Erwartungen blickten die Jünger vorwärts auf den Anbruch des messianischen Reiches in Jerusalem, das schließlich die ganze Erde erfüllen sollte.

Sie predigten die ihnen von Christus anvertraute Botschaft, obgleich sie ihren Sinn mißverstanden. Während sie sich in ihrer Verkündigung auf Daniel 9,25 stützten, übersahen sie, daß -- nach dem nächsten Vers des gleichen Kapitels -- der Gesalbte ausgerottet werden sollte. Von ihrer frühesten Jugend an hing ihr Herz an der freudig erwarteten Herrlichkeit eines irdischen Reiches. Das machte sie blind in ihrem Verständnis für die bedeutsamen prophetischen Hinweise wie auch für die Worte Christi.

Sie erfüllten ihre Aufgabe, indem sie der jüdischen Nation die Einladung der Barmherzigkeit anboten. Aber gerade zu der Zeit, als sie erwarteten, daß ihr Herr den Thron Davids einnehmen werde, erlebten sie, wie er als Übeltäter ergriffen, gegeißelt, verspottet, verurteilt und an das Kreuz von Golgatha geschlagen wurde. Welche Verzweiflung und seelische Qual marterte die Herzen der Jünger in den Tagen, da ihr Herr im Grabe schlief!

Christus war zur vorhergesagten Zeit gekommen, genauso wie es durch die Weissagung angekündigt worden war. Das Zeugnis der Schrift hatte sich in jeder Einzelheit seines Dienstes erfüllt. Er hatte die Botschaft des Heils verkündigt, "er predigte in Vollmacht". Lukas 4,32. Daß sie göttlichem Geist entstammte, hatten seine Zuhörer an ihren Herzen erfahren. Das Wort und der Geist Gottes bestätigten die göttliche Sendung des Sohnes.

Was die Jünger im Namen des Herrn verkündigten, traf selbst in Einzelheiten zu, und die Ereignisse, auf die sie hinwiesen, geschahen zur angegebenen Zeit. "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen!" (Markus 1,15), war ihre Botschaft. Als die Zeit der neunundsechzig Wochen aus Daniel 9 abgelaufen war, die bis auf den Messias, den Gesalbten, reichen sollte, empfing Christus nach seiner Taufe durch Johannes im Jordan die Salbung des Heiligen Geistes. Und das Reich Gottes, von dem er gesagt hatte, daß es nahe herbeigekommen sei, wurde durch den Tod Christi aufgerichtet. Dies Reich war aber nicht, wie man sie gelehrt hatte, ein irdisches Reich; auch war es nicht das zukünftige unvergängliche Reich, das erst aufgerichtet werden wird, wenn "das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen". Daniel 7,27. In der Bibel werden mit dem Begriff "Reich Gottes" sowohl das Reich der Gnade wie das Reich der Herrlichkeit bezeichnet. Das Reich der Gnade wird im Hebräerbrief beschrieben. Nach dem Hinweis auf Christus, den barmherzigen Fürsprecher, der sich unserer Schwachheit annimmt, heißt es: "Darum lasset uns hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Thron der Gnade, auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden." Hebräer 4,16. Der Thron der Gnade weist auf das Gnadenreich hin, denn das Vorhandensein eines Thrones setzt das Bestehen eines Reiches voraus. In vielen seiner Gleichnisse wendet Christus den Ausdruck "das Himmelreich" an, um das Werk der göttlichen Gnade an den Herzen der Menschen zu bezeichnen.

So stellt der Thron der Herrlichkeit das Reich der Herrlichkeit dar, und auf dieses Reich beziehen sich die Worte des Heilandes: "Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und werden vor ihm alle Völker versammelt werden." Matthäus 25,31.32. Dieses Reich liegt noch in der Zukunft, es wird erst bei der Wiederkunft Christi aufgerichtet werden.

Das Reich der Gnade wurde unmittelbar nach dem Sündenfall eingesetzt, als ein Plan zur Erlösung des schuldigen Menschengeschlechts gelegt wurde. Damals bestand es zunächst in der Absicht und Verheißung Gottes. Nur durch den Glauben konnten Menschen seine Teilhaber werden. Tatsächlich wurde es erst beim Tode Christi aufgerichtet. Noch nach dem Antritt seines irdischen Dienstes hätte sich der Heiland, enttäuscht von der Hartnäckigkeit und Undankbarkeit der Menschen, von dem vorgesehenen Opfer auf Golgatha zurückziehen können. In Gethsemane zitterte der Leidenskelch in seiner Hand. Selbst da noch hätte er den Blutschweiß von seiner Stirn wischen und das schuldige Geschlecht in seiner Sünde zugrunde gehen lassen können. Dann aber hätte es keine Erlösung für den gefallenen Menschen gegeben. Doch als der Heiland sein Leben hingab und im letzten Atemzug ausrief: "Es ist vollbracht!" (Johannes 19,30), da war der Ablauf des Erlösungsplanes gesichert. Die Verheißung des Heils -- einst dem sündigen Paar in Eden gegeben -- war nun bestätigt. Das Reich der Gnade, das bisher in der Zusage Gottes bestanden hatte, war aufgerichtet.

Somit bewirkte der Tod Christi -- gerade das Ereignis, das die Jünger als den gänzlichen Untergang ihrer Hoffnung angesehen hatten -- das, was ihre Hoffnung auf ewig begründete. Obwohl der Tod Jesu für sie eine furchtbare Enttäuschung bedeutete, brachte er doch den höchsten Beweis, daß ihr Glaube richtig war. Das Ereignis, das sie mit Trauer und Verzweiflung erfüllt hatte, öffnete allen Nachkommen Adams die Tür der Hoffnung. Das ist die Voraussetzung für das künftige Leben und das ewige Glück der Getreuen Gottes zu allen Zeiten.

Nach seiner Auferstehung erschien Jesus seinen Jüngern auf dem Wege nach Emmaus und "fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen in der ganzen Schrift aus, was darin von ihm gesagt war". Lukas 24,27. Die Herzen der Jünger wurden bewegt. Ihr Glaube entbrannte. Sie wurden "wiedergeboren ... zu einer lebendigen Hoffnung" (1.Petrus 1,3), noch ehe sich Jesus ihnen zu erkennen gab. Seine Absicht war es, ihren Verstand zu erleuchten und ihren Glauben auf das feste prophetische Wort zu gründen. Er wollte, daß die Wahrheit in ihren Herzen Wurzel faßte; sie sollte nicht nur auf sein persönliches Zeugnis gegründet sein, sondern durch die unwiderlegbaren Beweise gestützt werden, die in den Symbolen und Schattenbildern des Zeremonialgesetzes sowie in den Weissagungen des Alten Testaments gegeben sind. Für die Nachfolger Christi war es notwendig, einen dem Verstand einleuchtenden Glauben zu haben, nicht nur um ihrer selbst willen, sondern auch um der Welt die Erkenntnis Christi bringen zu können. Für das Weitergeben dieser Erkenntnis verwies Jesus die Jünger zunächst auf Mose und die Propheten. Damit zeigte der Heiland den Wert und die Wichtigkeit der alttestamentlichen Schriften.

Welch eine Veränderung ging in den Herzen der Jünger vor, als sie noch einmal in das geliebte Antlitz ihres Meisters blickten! (Lukas 24,32.) In einem vollkommeneren und vollständigeren Sinn als je zuvor hatten sie den "gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben". Johannes 1,45. Ungewißheit, Angst und Verzweiflung wichen nun froher Zuversicht und felsenfestem Glauben. So war es nicht verwunderlich, daß sie nach seiner Himmelfahrt "waren allewege im Tempel und priesen Gott". Lukas 24,53. Das Volk, das nur von dem schmachvollen Tod des Heilandes wußte, meinte, in den Gesichtern der Jünger den Ausdruck von Kummer, Verwirrung und Enttäuschung finden zu müssen; statt dessen leuchteten sie von Freude und Siegesgewißheit. Welch eine Zurüstung hatten doch die Jünger für die vor ihnen liegende Aufgabe empfangen!

Die Lehren aus dem Jahre 1844

Die Erfahrung der Jünger, die beim ersten Kommen Christi das Evangelium vom Reich verkündigten, hat ihr Gegenstück in der Erfahrung derer, die die Botschaft seiner Wiederkunft verbreiteten. So wie die Jünger hinausgingen und predigten: "Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist herbeigekommen", so verkündigten Miller und seine Mitarbeiter, daß der längste und letzte prophetische Zeitabschnitt, den die Bibel erwähnt, fast abgelaufen sei, daß das Gericht unmittelbar bevorstünde und das ewige Reich bald anbrechen werde. Die Predigt der Jünger gründete sich, was die Zeit betraf, auf die siebzig Wochen in Daniel 9. Die von Miller und seinen Gefährten verbreitete Botschaft kündet den Ablauf der zweitausenddreihundert Tage an, von denen die siebzig Wochen einen Teil bilden. Die Verkündigung der Jünger wie auch Millers hatte die Erfüllung je eines Teiles derselben prophetischen Zeitspanne zur Grundlage.

Gleich den ersten Jüngern verstanden William Miller und seine Freunde selbst nicht völlig die Tragweite der Botschaft, die sie verkündigten. Irrtümliche Ansichten hinderten sie, zur richtigen Auslegung der Weissagung zu gelangen. Obwohl sie die Botschaft predigten, die Gott ihnen zur Verkündigung anvertraut hatte, mußten sie doch eine Enttäuschung erleben, weil sie ihre Bedeutung nicht richtig verstanden hatten.

Bei der Erklärung von Daniel 8,14: "Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen vergangen sind, dann wird das Heiligtum wieder geweiht werden", übernahm Miller die allgemein verbreitete Ansicht, daß die Erde das Heiligtum sei. Darum glaubte er, daß die Weihe des Heiligtums, die Läuterung der Erde durch Feuer, bei der Wiederkunft des Herrn stattfinden werde. Als er entdeckte, daß das Ende der zweitausenddreihundert Tage genau vorausgesagt worden war, schloß er daraus, daß damit die Zeit der Wiederkunft angegeben sei. Sein Irrtum entstand dadurch, daß er sich bezüglich des Heiligtums auf die allgemein verbreitete Ansicht stützte.

Im Schattendienst, der ein Hinweis auf das Opfer und die Priesterschaft war, bildete die Reinigung (Weihe) des Heiligtums den abschließenden Dienst, der vom Hohenpriester in der jährlichen Runde seiner Amtsführung ausgeübt wurde. Es war dies das Schlußwerk der Versöhnung, das Wegschaffen oder Abtun der Sünde von Israel. Es versinnbildete den abschließenden Dienst unseres Hohenpriesters im Himmel, wobei die Sünden seines Volkes, die in den himmlischen Büchern verzeichnet stehen, hinweggenommen oder ausgelöscht werden. Dieser Dienst schließt eine Untersuchung, ein Gerichtsgeschehen ein. Es geht der Wiederkunft Christi in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit unmittelbar vorauf; denn bei seinem Erscheinen muß jeder Fall bereits entschieden sein. Jesus sagt: "Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sind." Offenbarung 22,12. Dieses Gericht vor der Wiederkunft wird in der ersten Engelsbotschaft von Offenbarung 14,7 angekündigt: "Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre; denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen!"

Die diese Warnungsbotschaft verkündigten, gaben die richtige Botschaft zur rechten Zeit. Doch wie die ersten Jünger auf Grund der Weissagung in Daniel 9 erklärten: "Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen" und dennoch nicht erkannten, daß der Tod des Messias in der gleichen Schriftstelle angekündigt wurde, so predigten auch Miller und seine Mitarbeiter die auf Daniel 8,14 und Offenbarung 14,7 beruhende Botschaft, ohne zu erkennen, daß in Offenbarung 14 noch auf andere Botschaften hingewiesen wird, die ebenfalls vor der Wiederkunft Christi verkündigt werden sollen. Wie sich die Jünger über das Reich getäuscht hatten, das am Ende der siebzig Wochen aufgerichtet werden sollte, so irrten sich jene Adventgläubigen hinsichtlich des Ereignisses, das für das Ende der zweitausenddreihundert Tage verheißen war. In beiden Fällen hatte man allgemein verbreitete Irrtümer angenommen oder zumindest daran festgehalten. So wurde das Verständnis der Wahrheit verdunkelt. Die Jünger damals wie später die Adventgläubigen erfüllten Gottes Willen, indem sie die Botschaft predigten, die verkündigt werden sollte; beide Gruppen mußten durch ein Mißverständnis der göttlichen Botschaft eine Enttäuschung erleben.

Dennoch erreichte Gott dabei seine Gnadenabsicht, indem er zuließ, daß die Gerichtswarnung in der erwähnten Weise verkündigt wurde. Der große Tag stand vor der Tür, und die bestimmte Zeit wurde nach Gottes Vorsehung für jene Menschen zu einer Prüfung, durch die offenbar werden sollte, was in ihren Herzen ist. Die Botschaft war zur Bewährung der Nachfolger Jesu bestimmt. Dadurch sollten sie selbst erkennen, ob ihre Herzen auf die vergängliche Welt oder auf Christus und den Himmel gerichtet sind. Sie gaben vor, den Heiland zu lieben; nun sollten sie ihre Liebe beweisen. Waren sie bereit, ihre vergänglichen Hoffnungen und ehrgeizigen Pläne fahren zu lassen und mit Freuden die Ankunft des Herrn zu erwarten? Die Botschaft sollte ihnen helfen, ihren wahren geistlichen Zustand zu erkennen. Der Herr sandte sie in seiner Barmherzigkeit, um sie anzuspornen, ihn mit reuig demütigem Herzen zu suchen.

Selbst die Enttäuschung, -- obgleich sie die Folge ihres eigenen Mißverständnisses der Botschaft war --, sollte ihnen zum Besten dienen. Diejenigen, die behauptet hatten, die Warnung angenommen zu haben, wurden auf die Probe gestellt. Würden sie angesichts der Enttäuschung ihre bisherige Erfahrung aufgeben und ihr Vertrauen auf Gottes Wort wegwerfen? Oder würden sie demütig und unter Gebet zu erkennen suchen, wo sie die Weissagung falsch verstanden hatten? Wieviele hatten sich nur von Furcht oder Gefühlsaufwallungen bewegen lassen? Wieviele waren halbherzig und ungläubig? Tausende gaben vor, die Erscheinung des Herrn liebzuhaben. Würden sie nun unter dem Spott und der Verachtung der Welt, ausgesetzt der Prüfung durch die Verzögerung und Enttäuschung, ihren Glauben verleugnen? Würden sie, weil sie Gottes Handeln nicht gleich verstehen konnten, die Wahrheit wegwerfen, die auf die klaren Aussagen seines Wortes gegründet ist?

Diese Probe sollte die Standhaftigkeit derer offenbaren, die im Glauben gehorsam gewesen waren all dem, was ihnen durch das Wort Gottes und den Heiligen Geist gesagt worden war. Zugleich sollte diese Erfahrung in einmaliger Weise zeigen, wie gefährlich es ist, Theorien und Auslegungen der Menschen anzunehmen, anstatt die Bibel sich selbst erklären zu lassen. Die Verwirrung und innere Not, die durch die Enttäuschung über die Kinder des Glaubens kam, sollte sie zu einer geistlichen Erneuerung führen. Das würde sie zu einem gründlicheren Studium des prophetischen Wortes veranlassen und sie lehren, die Grundlagen ihres Glaubens sorgfältiger zu prüfen und alles Unbiblische, wie verbreitet es auch in der Christenheit sein mochte, zu verwerfen.

Diese Gläubigen sollten so wie die ersten Jünger damals über das, was sie in der Stunde der Prüfung nicht verstanden, später aufgeklärt werden. Wenn sie dann erkennen konnten, "wie's der Herr hinausgeführt hat" (Jakobus 5,11), dann wüßten sie, daß es keinen Zweifel mehr daran gab, daß sich Gottes Liebesabsichten ihnen gegenüber erfüllt haben trotz der Verwirrung, die aus ihren Irrtümern entstanden war. Durch diese segenbringende Erfahrung sollten sie erkennen, daß der Herr "gnädig und barmherzig" ist, und alle seine Wege "sind lauter Güte und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten". Psalm 25,10.