Wir haben einen Fürsprecher

Kapitel 9

Christi abschließender Dienst im himmlischen Heiligtum

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Auf Gottes Weisung wurde durch die Predigt der ersten Engelsbotschaft eine bestimmte Zeit für das Gericht verkündigt. Die Berechnung der prophetischen Zeitangaben, auf die sich diese Botschaft gründete und die den Ablauf der zweitausenddreihundert Tage in den Herbst des Jahres 1844 legt, ist zweifellos richtig.

"Ich sah", schreibt der Prophet Daniel, "wie Throne aufgestellt wurden, und einer, der uralt war, setzte sich. Sein Kleid war weiß wie Schnee und das Haar auf seinem Haupt rein wie Wolle; Feuerflammen waren sein Thron und dessen Räder loderndes Feuer. Und von ihm ging aus ein langer feuriger Strahl. Tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht wurde gehalten, und die Bücher wurden aufgetan". Daniel 7,9.10.

So wurde dem Propheten im Gesicht der große und feierliche Tag offenbart, an dem das Wesen und Leben eines jeden Menschen von dem großen Richter des Alls geprüft und jedem nach "seinen Werken" zugemessen werden wird. Der Uralte ist Gott der Vater. Der Psalmist sagt von ihm: "Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit." Psalm 90,2. Er selbst, die Quelle des Lebens und Urheber aller Gesetze, wird im Gericht den Vorsitz führen. Heilige Engel "tausendmal Tausende und zehntausendmal Zehntausende", werden diesem großen Gericht als Diener und Zeugen beiwohnen.

"Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, daß ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende." Daniel 7,13.14.

Das hier beschriebene Kommen Christi ist nicht seine Wiederkunft zur Erde. Er kommt zu dem "Uralten" im Himmel, um Macht, Ehre und Reich zu empfangen, die ihm am Ende seines Mittlerdienstes gegeben werden. Von diesem Kommen, und nicht von seiner Wiederkunft zur Erde, wird in der Weissagung bezeugt, daß es am Ende der zweitausenddreihundert Tage, also im Jahre 1844, stattfinden werde. In Begleitung himmlischer Engel betritt unser Hoherpriester das Allerheiligste und erscheint dort vor Gott, um die letzten Handlungen seines Dienstes für die Menschen vorzubereiten und das Untersuchungsgericht durchzuführen. Dabei wird er für alle eine Versöhnung erwirken, die sich ihrer würdig erweisen.

Wer wird geprüft?

Im sinnbildlichen Dienst hatten nur diejenigen Anteil am Dienst des Versöhnungstages, die zu Gott kamen, um zu bekennen und zu bereuen, und deren Sünden durch das Blut des Sündopfers auf das Heiligtum übertragen worden waren. So betrifft auch der abschließende Dienst der Versöhnung und des Untersuchungsgerichts nur diejenigen, die sich zum bekennenden Volk Gottes zählen. Das Gericht über die Heilsverächter ist davon gesondert und wird zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. "Denn es ist Zeit, daß anfange das Gericht an dem Hause Gottes. Wenn aber zuerst an uns, was will's für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelium Gottes nicht glauben?" 1.Petrus 4,17.

Die Bücher des Himmels, in denen die Namen und Taten der Menschen verzeichnet stehen, sind ausschlaggebend für die Entscheidungen des Gerichts. Der Prophet Daniel sagt: "Das Gericht wurde gehalten, und die Bücher wurden aufgetan." Der Schreiber der Offenbarung schildert dasselbe Geschehen und fügt hinzu: "Und ein andres Buch ward aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was geschrieben steht in den Büchern, nach ihren Werken." Offenbarung 20,12. Das Buch des Lebens enthält die Namen aller, die jemals Gott im Glauben nachfolgten. Jesus sagte zu seinen Jüngern: "Freuet euch aber, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind." Lukas 10,20. Paulus spricht von seinen getreuen Mitarbeitern, deren "Namen in dem Buch des Lebens sind". Philipper 4,3. Im Hinblick auf eine noch nicht dagewesene Trübsalszeit erklärt Daniel: "Zu jener Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buch des Lebens geschrieben stehen." Daniel 12,1. In der Offenbarung heißt es, daß nur solche Menschen in die Stadt Gottes einziehen dürfen, "die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes". Offenbarung 21,27.

Maleachi weist auf ein "Gedenkbuch" hin, das vor dem Herrn geschrieben ist, in dem die guten Taten derer berichtet sind, die "den HERRN fürchten und an seinen Namen gedenken". Maleachi 3,16. Ihre Worte des Glaubens, ihre Taten der Liebe sind im Himmel verzeichnet. Darauf nimmt auch Nehemia Bezug, wenn er sagt: "Gedenke, mein Gott, um dessentwillen an mich und lösche nicht aus, was ich in Treue am Hause meines Gottes und für den Dienst in ihm getan habe!" Nehemia 13,14. Im Gedenkbuch Gottes wird jede gerechte Tat festgehalten. Jede bestandene Versuchung, jedes überwundene Übel, jedes Wort herzlichen Mitgefühls ist dort gewissenhaft berichtet; wie auch jede aufopfernde Tat und alle Leiden und Schmerzen, die um Christi willen ertragen wurden. Der Psalmist sagt: "Zähle die Tage meiner Flucht; sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie." Psalm 56,9.

Ebenso wird dort Bericht über die Sünden der Menschen geführt. "Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, alles, was verborgen ist, es sei gut oder böse." Prediger 12,14. Der Heiland sagt: "Die Menschen müssen Rechenschaft geben am Tage des Gerichts von einem jeglichen nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden." Matthäus 12,36.37. Selbst die verborgenen Absichten und Beweggründe erscheinen in jenem lückenlosen Bericht, denn Gott "wird ans Licht bringen, auch was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen". 1.Korinther 4,5. "Siehe, es steht vor mir geschrieben ..., ja ich will es ihnen heimzahlen, beides, ihre Missetaten und ihrer Väter Missetaten miteinander, spricht der HERR." Jesaja 65,6.7.

Eines jeden Taten werden noch einmal vor Gott aufgerollt und als treu oder untreu befunden. Unter dem Namen eines jeden wird in den himmlischen Büchern mit peinlicher Genauigkeit jedes schlechte Wort, jede selbstsüchtige Handlung, jede unerfüllte Pflicht, jede verborgene Sünde und jede listige Verstellung festgehalten. Mißachtete Mahnungen Gottes, verschwendete Augenblicke, ungenutzte Gelegenheiten, Einflüsse zum Guten oder Bösen mit ihren weitreichenden Folgen, alles wird von dem berichtführenden Engel aufgezeichnet.

Gottes Gebote als Maßstab

Das Gesetz Gottes ist der Maßstab, nach dem das ganze Leben eines Menschen im Gericht geprüft werden wird. In der Heiligen Schrift heißt es: "Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das gilt für alle Menschen. Denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen." Prediger 12,13.14. Und der Apostel Jakobus ermahnte seine Brüder: "Redet so und handelt so wie Leute, die dereinst durchs Gesetz der Freiheit gerichtet werden." Jakobus 2,12.

Wer im Gericht für "würdig erfunden" ist, wird an der Auferstehung der Gerechten teilhaben. Jesus sagte: "Welche aber gewürdigt werden, jene Welt zu erlangen und die Auferstehung von den Toten ... sie sind den Engeln gleich und Gottes Kinder, weil sie Kinder sind der Auferstehung." Lukas 20,35.36.

"Und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens." Johannes 5,29. Demnach werden die gerechten Toten erst auferweckt, nachdem sie im Gericht würdig erfunden worden sind zur "Auferstehung des Lebens". Sie werden also nicht persönlich bei diesem Gericht zugegen sein, wenn ihre Lebensberichte geprüft und danach ihr Geschick entschieden wird.

Jesus, der Fürsprecher

Jesus wird als ihr Fürsprecher vor Gott für sie eintreten. "Ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist." 1.Johannes 2,1. "Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heilige, das mit Händen gemacht ist, welches ist ein Gegenbild des wahrhaftigen Heiligtums, sondern in den Himmel selbst, um jetzt zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns." "Daher kann er auch auf ewig selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt immerdar und bittet für sie." Hebräer 9,24; Hebräer 7,25.

Mit dem Auftun der Bücher wird der Lebenslauf eines jeden, der an Jesus geglaubt hat, vor Gott aufgerollt werden. Unser Fürsprecher beginnt mit denen, die zuerst auf Erden lebten, prüft dann die nachfolgenden Geschlechter und schließt mit den Lebenden. Jeder Name wird erwähnt, das Leben jedes einzelnen genau untersucht. Es werden Namen angenommen, Namen verworfen. Sind bei manchen Namen Sünden verzeichnet, die nicht bereut und vergeben wurden, dann werden diese Namen aus dem Buch des Lebens getilgt und der Bericht ihrer guten Taten aus dem Gedenkbuch Gottes gelöscht. Einst erklärte der Herr dem Mose: "Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt." 2.Mose 32,33. Und der Prophet Hesekiel sagte: "Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut Unrecht ..., an alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden." Hesekiel 18,24.

Doch bei den Namen derer, die ihre Sünden aufrichtig bereut und das Blut Christi im Glauben als ihr versöhnendes Opfer angenommen haben, wird die gewährte Vergebung in den Himmelsbüchern vermerkt. Da sie Teilhaber der Gerechtigkeit Christi geworden sind und ihr Wesen in Einklang mit den Geboten Gottes stand, werden ihre Sünden ausgetilgt und sie selbst des ewigen Lebens für würdig erachtet. Durch den Propheten Jesaja sagt der Herr: "Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht." Jesaja 43,25. Und Jesus sichert uns zu: "Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln." "Wer nun mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater." Offenbarung 3,5; Matthäus 10,32.33.

Das Gerichtsgeschehen

Selbst die stärkste Anteilnahme der Menschen an Entscheidungen irdischer Gerichtshöfe ist nur ein schwacher Vergleich zu der beim himmlischen Gerichtshof herrschenden Aufmerksamkeit, wenn die im Buch des Lammes eingetragenen Namen zur Überprüfung vor den Richter der ganzen Welt gebracht werden. Der göttliche Mittler legt für alle, die durch den Glauben an sein Blut überwunden und Vergebung ihrer Sünden empfangen haben, Fürsprache ein. Er bittet für sie, damit sie wieder in den paradiesischen Zustand eingesetzt und als Miterben Christi Anteil haben an der "früheren Herrschaft". Micha 4,8. Durch seine Bemühungen, die Menschen zu verführen, hatte Satan gehofft, Gottes Plan zur Errettung der Menschen vereiteln zu können; Christus aber tritt dafür ein, daß dieser Plan ausgeführt wird, so als wäre der Mensch nie gefallen. Er bittet für sein Volk nicht nur um völlige umfassende Vergebung und Rechtfertigung, sondern auch um dessen Anteil an seiner Herrlichkeit und Macht.

So wie Jesus für diejenigen Fürbitte einlegt, die unter seiner Gnade stehen, so beschuldigt sie Satan vor Gott als Übertreter. Der große Betrüger suchte sie in Zweifel zu verstricken, ihr Vertrauen auf Gott zu erschüttern und sie dadurch zum Ungehorsam zu verleiten. Nun verweist er auf ihren Lebensbericht, auf ihre charakterlichen Mängel und darauf, wie unähnlich sie Christus sind, wie sie ihrem Erlöser Schande bereitet haben. Er zeigt auf alle Sünden, zu denen er sie verleitet hat, und erhebt damit die Forderung, sie für sich beanspruchen zu können.

Jesus entschuldigt ihre Sünden nicht, verweist aber auf ihre Reue und ihren Glauben und bittet für sie um Vergebung; er erhebt seine durchbohrten Hände vor dem Vater und den heiligen Engeln und bezeugt: ich kenne sie bei Namen, ich habe sie in meine Hände gezeichnet. "Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten." Psalm 51,19. Und dem Ankläger seines Volkes erklärt er: "Der HERR schelte dich, du Satan. Ja, der HERR, der Jerusalem erwählt hat, schelte dich. Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist?" Sacharja 3,2. Christus wird seine Getreuen mit seiner eigenen Gerechtigkeit bekleiden, damit er sie seinem Vater darstellen kann "als eine Gemeinde, die herrlich sei, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen". Epheser 5,27. Ihre Namen stehen im Buch des Lebens; von ihnen gilt das Wort: "Die werden mit mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind's wert." Offenbarung 3,4.

So wird die vollkommene Erfüllung der Verheißung des Neuen Bundes verwirklicht werden: "Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken." "Zur selben Zeit und in jenen Tagen wird man die Missetat Israels suchen, spricht der HERR, aber es wird keine da sein, und die Sünden Judas, aber es wird keine gefunden werden." Jeremia 31,34; Jeremia 50,20. "Zu der Zeit wird, was der HERR sprießen läßt, lieb und wert sein und die Frucht des Landes herrlich und schön bei denen, die erhalten bleiben in Israel. Und wer da wird übrig sein in Zion und übrig bleiben in Jerusalem, der wird heilig heißen, ein jeder, der aufgeschrieben ist zum Leben in Jerusalem." Jesaja 4,2.3.

Das Untersuchungsgericht und die Austilgung aller Sünden der Gläubigen werden vor der Wiederkunft des Herrn abgeschlossen sein. Da die Toten nach den Berichten in den Büchern gerichtet werden, ist es nicht möglich, daß das Lebenswerk eines jeden vor Abschluß des Gerichts untersucht und seine Sünden ausgetilgt werden. Der Apostel Petrus bestätigt eindeutig, daß die Sünden der Gläubigen ausgelöscht werden sollen, "auf daß da komme die Zeit der Erquickung von dem Angesicht des Herrn und er sende den, der euch zuvor zum Christus bestimmt ist, Jesus". Apostelgeschichte 3,20. Wenn das Untersuchungsgericht beendet ist, wird Christus kommen und sein Lohn mit ihm, einem jeglichen zu geben, wie seine Werke sind.

Das abschließende Werk

Im sinnbildlichen Dienst trat der Hohepriester, nachdem er die Versöhnung für Israel vollbracht hatte, wieder heraus und segnete die Gemeinde. So wird auch Christus nach Beendigung seines Mittleramtes erscheinen, "nicht um der Sünde willen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil" (Hebräer 9,28), und sein wartendes Volk mit dem ewigen Leben segnen. Wie einst der Priester die Sünden, nachdem sie aus dem Heiligtum entfernt waren, auf das Haupt des noch lebenden Bocks für Asasel bekannte, so wird Christus alle Sünden auf Satan, den Urheber und Anstifter der Sünde, legen. Dieser Asasel, beladen mit den Sünden Israels, wurde "in die Wildnis" geführt (3.Mose 16,22); ebenso wird Satan dann die Schuld all der Sünden zu tragen haben, zu denen er Gottes Volk verführte. Tausend Jahre wird er auf der Erde gebannt sein, die dann wüst und leer sein wird, um zuletzt die volle Strafe für alle Sünden in dem Feuer zu erleiden, das alle Heilsverächter vernichten wird. Auf diese Weise wird der Erlösungsplan vollendet werden mit der endgültigen Ausrottung der Sünde und der Errettung aller, die willens waren, dem Bösen zu widerstehen.

Untrügliche Berichte

Zu der von Gott für das Gericht vorgesehenen Zeit, nach Ablauf der zweitausenddreihundert Tage im Jahre 1844, begann die Untersuchung und die Austilgung der Sünden. Alle, die jemals den Namen Christi angenommen haben, werden einer genauen Prüfung unterzogen. Lebende und Tote werden gerichtet, "nach dem, was geschrieben steht in den Büchern, nach ihren Werken".

Sünden, die nicht bereut und unterlassen wurden, können nicht vergeben und nicht aus den Büchern ausgetilgt werden, sondern werden am Tag Gottes gegen den Sünder zeugen. Mag er seine bösen Taten am hellen Tag oder im Dunkel der Nacht begangen haben; alles wird offenbar sein vor dem, in dessen Hand wir stehen. Gottes Engel sind Zeuge jeder Sünde gewesen und hielten sie in untrüglichen Berichten fest. Man mag die Sünde verhehlen, verleugnen oder vor Vater, Mutter, Frau und Kind verbergen; mag niemand auch nur den allergeringsten Verdacht eines begangenen Unrechts hegen; vor den himmlischen Zeugen ist alles offenbar. Selbst die Verschlagenheit abgefeimter Betrüger kann nicht einen Gedanken vor dem durchdringenden Auge des Allgegenwärtigen verschleiern. Vor Gott liegt ein genauer Bericht aller ungerechten Vorgänge und jeder ungetreuen Handlung. Er kann nicht durch den Schein eines gottseligen Wesens getäuscht werden; er irrt sich auch nicht in der Beurteilung eines Menschen. Es mag manchem gelungen sein, seine Mitmenschen zu betrügen; aber Gottes Augen durchdringen alle Täuschungsversuche; er kennt selbst die

verborgensten Beweggründe. Wie ernst ist doch dieser Gedanke! Ein Tag nach dem andern vergeht und hinterläßt die Spuren seiner Geschehnisse in den himmlischen Büchern. Einmal gesprochene Worte, einmal begangene Taten lassen sich nie mehr ungeschehen machen. Die Engel haben alles festgehalten, das Gute wie das Böse. Der gewaltigste Machthaber auf Erden ist nicht imstande, auch nur den Bericht eines einzigen Tages auszulöschen. Unsere Taten, unsere Worte, ja unsere geheimsten Gedanken tragen alle zur Entscheidung unseres Schicksals bei, sei es zum Leben oder zum Tod. Und sollten wir sie auch vergessen haben, so werden sie doch Zeugnis ablegen und uns rechtfertigen oder verdammen.

So wie die Gesichtszüge eines Menschen durch Künstlerhand mit untrüglicher Genauigkeit auf einer Kupferplatte wiedergegeben werden, so wird das Wesen eines Menschen in den himmlischen Büchern dargestellt. Doch wie sorglos und unbekümmert ist man über den Bericht, der offen vor den Augen himmlischer Wesen ausliegt. Könnte der Schleier, der die sichtbare Welt von der unsichtbaren trennt, zurückgezogen werden und könnten die Menschen einem Engel zusehen, der jedes Wort und jede Tat für das Gericht aufzeichnet, wieviele unnütze Worte blieben unausgesprochen, wieviele böse Taten ungetan!

In diesem Gericht wird der Gebrauch der anvertrauten Gaben genau geprüft werden. Wie haben wir die uns vom Himmel verliehenen Gaben verwendet? Wird der Herr bei seinem Erscheinen sein Eigentum mit Gewinn nehmen können? Haben wir die uns anvertrauten Kräfte des Körpers und des Geistes zur Verherrlichung Gottes und zum Besten unserer Umwelt eingesetzt? Wie haben wir unsere Zeit, unsere Stimme, unser Geld, unseren Einfluß verwertet? Was haben wir für Christus getan, der uns in Gestalt der Hilfsbedürftigen und Heimgesuchten, der Witwen und Waisen begegnete? Gott hat uns beauftragt, sein heiliges Wort zu bewahren; was haben wir mit dem Licht der Erkenntnis und der Wahrheit getan? Haben wir uns bemüht, Menschen zur Seligkeit zu führen? Ein bloßes Bekennen unseres Glaubens an Christus ist wertlos; nur die Liebe, die sich in guten Werken erweist, wird als echt anerkannt. Es ist allein die Liebe, die in den Augen des Himmels eine Tat wertvoll macht. Was aus Liebe geschieht, wie gering es auch in der Menschen Augen scheinen mag, wird Gott annehmen und belohnen.

Sogar die verborgene Selbstsucht der Menschen wird durch die Bücher des Himmels offenbar. Dort findet sich auch der Bericht über alle unterlassenen Pflichten gegenüber dem Nächsten, über jede Nachlässigkeit den Forderungen des Heilandes gegenüber. Dort wird erkennbar, wie oft wir Satan unsere Zeit, unsere Gedanken und unsere Kraft zur Verfügung gestellt haben, die doch Christus gehörten. Oft sind es betrübliche Berichte, die die Engel zum Himmel tragen. Verständige Leute, die sich Nachfolger Christi nennen, haben sich völlig vom Trachten nach irdischem Gut oder der Jagd nach zeitlichen Vergnügungen gefangennehmen lassen. Geld, Zeit und Kraft werden eitler Selbstgefälligkeit geopfert; aber nur wenige Augenblicke dem Gebet und Schriftstudium, der Selbstbesinnung und dem Bekenntnis der eigenen Sünde.

Satan erfindet unzählige Möglichkeiten, unsere Gedanken zu beschäftigen und uns dadurch von dem Werk abzulenken, mit dem wir am innigsten vertraut sein sollten. Der Erzbetrüger haßt die Wahrheit, die uns auf das versöhnende Opfer Christi und seinen Dienst als unser Fürsprecher hinweist. Er weiß, daß für ihn alles davon abhängt, die Gedanken von Jesus und seiner Botschaft abzulenken.

Heiligung in der Furcht Gottes

Wer die Segnungen der Fürsprache Christi empfangen möchte, darf sich durch nichts davon abhalten lassen, durch die Furcht Gottes in der Heiligung zu wachsen. Statt kostbare Stunden dem Vergnügen, der Eitelkeit oder der Gewinnsucht zu opfern, wäre es besser, sie ernstem Gebet oder dem Studium des Wortes Gottes zu widmen. Das Wesen des Heiligtums und des Untersuchungsgerichts sollte Gottes Volk richtig verstehen lernen. Jeder muß für sich selbst die Erkenntnis vom Wesen und Werk seines großen Hohenpriesters gewinnen; sonst wird es ihm unmöglich sein, in dem für unsere Zeit so wesentlichen Glauben zu bestehen und den Platz einzunehmen, den er nach Gottes Willen ausfüllen soll. Jeder hat seine Seele zu retten, oder er wird sie verlieren. Jedes Leben wird eines Tages vor den Schranken des Gerichtes Gottes entschieden werden. Jeder muß vor dem Angesicht des großen Richters erscheinen. Daher ist es für jeden von uns so wichtig, immer wieder darüber nachzudenken, daß Gericht gehalten und die Bücher aufgetan werden; daß jeder mit Daniel auferstehen muß zu seinem Erbteil am Ende der Tage.

Jeder Gläubige, dem die Erkenntnis dieser Wahrheit aufgegangen ist, hat die Pflicht, Zeugnis davon abzulegen. Das himmlische Heiligtum ist wahrhaftig der Mittelpunkt des Gnadenwerkes Christi für uns. Das geht jeden auf dieser Erde an. Hier wird uns der Blick geöffnet für den Erlösungsplan, der uns bis ans Ende der Zeiten führt und den siegreichen Ausgang des Kampfes zwischen Gerechtigkeit und Sünde offenbart. Daher ist es von größter Bedeutung, daß wir Stück um Stück dieser biblischen Wahrheit untersuchen, damit wir jedem, der uns nach dem Grund unserer Hoffnung fragt, recht antworten können.

Christi Mittlerdienst für uns Menschen droben im Heiligtum gehört ebenso zum Heilsplan wie sein Tod am Kreuz. Mit seinem Tode begann er das Werk, das zu vollenden er nach seiner Auferstehung gen Himmel fuhr. Wir müssen im Glauben "in das Innere hinter dem Vorhang" eingehen, "dahin ist als Vorläufer für uns eingegangen Jesus". Hebräer 6,19.20. Dort leuchtet das strahlende Licht vom Kreuz auf Golgatha. Dort gewinnen wir ein klareres Verständnis der Geheimnisse des Erlösungsplanes. Die Erlösung des Menschen wurde mit unermeßlichen Kosten erkauft; das dargebrachte Opfer entspricht allen Anforderungen des gebrochenen Gesetzes Gottes. Jesus hat den Weg zum Thron des Vaters gebahnt, und durch seinen Mittlerdienst kann das aufrichtige Verlangen aller Menschen, die im Glauben zu ihm kommen, vor Gott gebracht werden.

"Wer seine Sünde leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennt und läßt, der wird Barmherzigkeit erlangen." Sprüche 28,13. Sähen es doch alle, die ihre Fehler verbergen und entschuldigen, wie Satan über sie frohlockt, wie Christus und die heiligen Engel durch einen sündhaften Wandel geschmäht werden, so würden sie ihre Sünden bekennen und ablegen. Indem Satan einzelne Charakterschwächen ausnutzt, versucht er sich der gesamten Gedankenwelt zu bemächtigen, und er weiß auch, daß ihm das gelingen wird, wo solche Schwächen gehegt werden. Immer wieder will er die Nachfolger Christi mit seinen spitzfindigen Trugschlüssen täuschen, als ob es unmöglich sei, die Sünde zu überwinden. Aber Jesus bittet für seine Nachfolger mit seinen durchbohrten Händen und seinem zerschlagenen Leib. Er versichert jedem, der an ihn glaubt: "Laß dir an meiner Gnade genügen." 2.Korinther 12,9. "Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Matthäus 11,29.30. Keines Menschen Fehler sind unheilbar. Gott wird Glauben und Gnade verleihen, sie zu überwinden.

Die Zeit des großen Versöhnungstages

Wir leben in der Zeit des großen Versöhnungstages. Im sinnbildlichen Dienst wurden alle zu ernster Reue vor Gott aufgefordert, während der Hohepriester für Israel die Versöhnung erwirkte. Sie bekannten ihre Sünden und demütigten sich vor dem Herrn, damit sie nicht aus dem Volk ausgeschlossen würden. In gleicher Weise sollten alle, die ihren Namen im Lebensbuch erhalten wollen, in diesen letzten Tagen der Gnadenzeit Leid tragen über ihre Sünden und sich in wahrhafter Reue zu Gott kehren. Ernst und gewissenhaft sollen wir unser Wesen vor ihm prüfen. Der leichtfertige, oberflächliche Geist, der so viele bekenntliche Christen beherrscht, muß abgelegt werden. Es ist ein harter Kampf, die üblen Neigungen, die nach Macht streben, zu überwinden. Das Werk der Vorbereitung ist eine persönliche Aufgabe. Wir werden nicht scharenweise erlöst. Die Frömmigkeit und Reinheit des einen kann nicht die Mängel des andern ausgleichen. Wenn auch alle Völker vor dem Gericht Gottes erscheinen müssen, wird Gott doch den Fall jedes einzelnen so gründlich und genau untersuchen, als gäbe es keinen andern auf Erden. Jeder muß bei seiner Prüfung ohne Flecken, Runzel oder etwas dergleichen erfunden werden.

Sehr ernst sind die Vorgänge, die den Abschluß des Versöhnungswerkes bilden; folgenschwer die damit verbundenen Tatsachen. Das Gericht geht jetzt im himmlischen Heiligtum vor sich. Schon viele Jahre wird dies Werk getan. Bald -- niemand weiß wann -- werden die Berichte der gegenwärtig Lebenden untersucht werden. In der Gegenwart Gottes wird unser Leben vor ihm entrollt werden. Mehr denn je sollte darum jede Seele die Mahnung des Heilandes beherzigen: "Sehet euch vor, wachet! denn ihr wisset nicht, wenn die Zeit da ist." Markus 13,33. "Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde." Offenbarung 3,3.

Wenn das Untersuchungsgericht abgeschlossen wird, ist das Schicksal aller Menschen entweder zum Leben oder zum Tod entschieden. Die Gnadenzeit endet kurz vor dem Erscheinen des Herrn in den Wolken des Himmels. Christus erklärt im Hinblick auf diese Zeit: "Wer böse ist, der sei fernerhin böse, und wer unrein ist, der sei fernerhin unrein; aber wer fromm ist, der sei fernerhin fromm, und wer heilig ist, der sei fernerhin heilig. Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sind." Offenbarung 22,11.12.

Gerechte und Gottlose werden dann noch in ihrem sterblichen Zustand auf Erden leben: sie werden pflanzen und bauen, essen und trinken und nicht wissen, daß die endgültige und unwiderrufliche Entscheidung im himmlischen Heiligtum bereits gefallen ist. Vor der Sintflut, nachdem Noah in die Arche gegangen war, machte Gott hinter ihm zu und schloß alle anderen aus; sieben Tage lang setzten die Menschen ihre gleichgültige, vergnügungssüchtige Lebensweise fort und spotteten über die Warnung vor einem drohenden Gericht, ohne zu wissen, daß ihr Schicksal bereits entschieden war. "So wird auch sein das Kommen des Menschensohnes" (Matthäus 24,39), sagte der Heiland. Wie ein Dieb in der Nacht wird die entscheidende Stunde kommen, in der sich das Schicksal jedes Menschen erfüllt und die den Sündern angebotene göttliche Gnade auf immer entzogen wird.

"So wachet nun ..., auf daß er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt." Markus 13,35.36. Gefährlich ist der Zustand derer, die -- des Wachens müde -- sich den Verführungen hingeben. In der Stunde, da der eine ganz in der Jagd nach Gewinn aufgeht, da der andere nur seinem Vergnügen lebt und Befriedigung in der Eitelkeit sucht, wird der Richter der Welt den Urteilsspruch verkünden: "Man hat dich auf der Waage gewogen und zu leicht befunden." Daniel 5,27.